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VW feiert den Up, den kleinsten Neuzugang im Konzern.

© dapd

Autos der Zukunft: Niemand soll verzichten

PS sind wieder erlaubt, wenn der Benzinverbrauch trotzdem sinkt: Die deutschen Autobauer protzen auf der IAA wie nie zuvor.

Das Große im Kleinen zu finden, ist eine Kunst, die auch die deutsche Automobilindustrie beherrscht. Lange galten Kleinwagen als die Domäne der Italiener, Franzosen und Asiaten. Doch seit niedrige CO2-Werte und Spritverbräuche zum guten Ton der PS-Branche gehören (müssen), haben sich auch die deutschen Premiumhersteller verkleinert. Downsizing nennen Ingenieure in Stuttgart, München und Wolfsburg das. Die Aufgabe: deutsches Auto-Know-how im Kleinformat verwirklichen. Auf der Internationalen Autoausstellung (IAA) in Frankfurt am Main (15. bis 25. September), die am Donnerstag von Angela Merkel eröffnet wird, lässt sich der Trend zur neuen Kleinheit besichtigen.

Den größten Aufwand für ein kleines Auto treibt Volkswagen. Die erstmals gezeigte Up-Familie, eine neue Modellreihe unterhalb des Polo, eröffnete den Konzernabend in der Jahrhunderthalle. Zum Einstiegspreis von 9850 Euro wird das Auto verkauft. 2013 soll es auch eine Elektrovariante geben. „VW kann auch kleine Autos bauen“, sagte VW-Entwicklungsvorstand Ulrich Hackenberg – und klang selbst ein wenig überrascht. Was den 2300 Medienvertretern am Montagabend anschließend vorgeführt wurde, war eher bombastisch als minimalistisch.

Gemessen an der Temperatur in der Halle müsste der VW-Konzern, der dieses Jahr acht Millionen Autos verkaufen will, gerade heiß laufen. In einer schweißtreibenden Show aus Bildern, Feuersbrünsten und Dezibel wurden die Neuheiten aus dem Zehn-Marken-Konzern präsentiert. Leistungsträger im buchstäblichen Sinne – gekrönt vom neuen Lamborghini Super Trofeo Stradale mit 570 PS, dem neuen Porsche 911 oder dem Bentley Continental GTS. Selbst bei diesen Autos, die mit dem Up nur noch die Buchführung gemein haben, feiern die Autobauer das Downsizing. Denn die Supersportler haben zwar mehr PS, verbrauchen aber gleichzeitig auch weniger.

So hört man es nicht nur bei VW, man hört und sieht es überall auf der IAA. Leistung und Sportlichkeit sind nichts, wofür man sich schämen müsste. Kombiniert mit Qualitäten wie Effizienz und Nachhaltigkeit, machen plötzlich auch 420 PS in einem Audi S6 irgendwie Sinn. „Herzklopfen und Ratio“, beschreibt Audi-Chef Rupert Stadler den Dualismus. „Nachhaltigkeit darf nicht Verzicht bedeuten“, meint Konzernchef Martin Winterkorn. Audi gönnt sich dieses Jahr eine eigene, 4500 Quadratmeter große Halle. Das Beispiel zeigt: Die Autobauer, denen im letzten Jahr noch die Krise in den Knochen steckte, verzichten 2011 auf jegliche Bescheidenheit. Vor allem die Deutschen, die in Frankfurt ihren Heimvorteil ausspielen. 2011 wird für VW, Daimler und BMW ein Rekordjahr.

Es gelte, diese „scheinbaren Widersprüche“ aufzulösen, sagte BMW-Chef Norbert Reithofer – das glanzvolle Geschäft mit den automobilen Träumen hier, die Schonung der globalen Ressourcen dort. Der größte Premiumhersteller wolle diesen Wandel im Bewusstsein der Auto fahrenden Gesellschaft „aktiv betreiben“. Reithofer: „Wir brauchen eine Evolution und eine Revolution.“ Klingt kompliziert. Sieht bei BMW aber ganz einfach aus. Mit den beiden Konzeptautos i3 und i8 hat der bayerische Hersteller zwei originäre Elektrofahrzeuge entwickelt, die auf das neue batteriebetrieben Zeitalter zugeschnitten sind. Aber auch bei BMW werden die Kleinen (der neue 1er) von den Großen auf dem IAA-Hallen-Parcours über den Köpfen der Besucher überholt. Natürlich „effizient und leistungsstark“: das neue 6er Coupé, der neue M5 und als Gipfel der Ambivalenz: ein elektrischer Rolls-Royce. Während BMW noch keinen Preis für seine E-Autos nennt, hebt Daimler den Vorhang für seinen elektrischen Smart, der 2012 für gut 19 000 Euro auch an private Kunden verkauft werden soll. Die Batterie kostet 60 Euro extra im Monat. Der Akku wird nicht gekauft, sondern gemietet. Ohne Krawatte und mit offener Anzugjacke tritt Daimler-Chef Dieter Zetsche betont lässig gegen das Biedermann-Image des Stuttgarter Herstellers an. Schmunzelnd wird er Teil der Multimedia-Show. Die IAA-Besucher fahren mit der Rolltreppe hoch hinauf und blicken von oben auf die neuen Sterne im Mercedes-Universum: auf B- und M-Klasse, auf den extrasportlichen SLS AMG. Dazwischen: der F125, eine Studie der S-Klasse der Zukunft, die mit Brennstoffzellenantrieb 1000 Kilometer weit fahren soll. „Nonstop in die Toscana“: Dolce vita, vielleicht in ein paar Jahren.

Zumindest die Hälfte der Strecke schafft schon heute der Opel Ampera, den Unternehmenschef Karl-Friedrich Stracke präsentiert. Es ist das erste deutsche Elektroauto, das man kaufen kann. Wobei der Ampera noch einen Benzin verbrauchenden Reichweitenverlängerer an Bord hat und ein Ableger des GM-Modells Chevrolet Volt ist. Doch Stracke, der in makellosem Detroit-Amerikanisch spricht, feiert die „Revolution“. 6000 Vorbestellungen gibt es schon für den Ampera. Und weil die Branche sich nicht nur in der Halle der Elektromobilität unter Strom gesetzt hat, legt Opel gleich nach. Der Zweisitzer Rak-e ist klein und elektrisch, aber vorerst nur eine Studie. Bei der nächsten IAA in zwei Jahren wird sich nicht nur Opel in Sachen Elektromobilität einem Realitäts-Check unterziehen müssen.

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