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Wirtschaft: Noch mehr Maut-Chaos: Klage und Rückrufaktion

Toll Collect ist bereit, die Verträge dem Parlament offen zu legen

Berlin (fo/Tsp). Nach Rückrufaktionen und einer ersten Klageandrohung will sich Verkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) beim MautKonsortium dafür einsetzen, dass die umstrittenen Verträge für das System offen gelegt werden. Das berichteten Teilnehmer des Haushaltsausschusses des Bundestages, denen Stolpe am Mittwoch Rede und Antwort stand. Auch das Konsortium Toll Collect ist bereit, „die Verträge den Parlamentariern offen zu legen, wenn die Vertraulichkeit gewährleistet ist“. Das sagte ein Sprecher des Konsortiums dem Tagesspiegel. Die Obleute der Fraktionen im Bundestag hatten gefordert, Einsicht zu nehmen, um Haushaltsrisiken abschätzen zu können. Komplett veröffentlichen will Toll Collect die Verträge allerdings nicht.

Stolpe bezifferte gestern den monatlichen Einnahmeausfall durch den verschobenen Mautstart auf 156 Millionen Euro. Der Haushaltsausschuss kann laut Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne) erst dann Schlussfolgerungen für den Bundeshaushalt ziehen, wenn die Einzelheiten des Vertrages bekannt seien. Der Verkehrsminister sei selbst an einer Offenlegung interessiert, sagte sie dem Tagesspiegel. Die Haushaltsexpertin der Grünen sieht vorerst die Hauptverantwortung beim Maut-Konsortium für den Start am 2. November. „Bei aller Kritik am Verkehrsminister“, sagte sie weiter, „muss man akzeptieren, dass sich Manfred Stolpe unter den jetzigen Bedingungen auf keinen exakten Starttermin festlegt.“

Wegen gravierender technischer Probleme hat das Betreiberkonsortium Toll Collect jetzt eine Rückrufaktion für tausende bereits eingebauter Maut-Geräte gestartet. Der Austausch der fehlerhaften Fahrzeuggeräte zur elektronischen Erfassung der Maut (On Board Units/OBU) gegen neue Geräte erfolgt kostenlos. Das erklärte Toll Collect in einem Schreiben an Speditions- und Lkw-Unternehmen. Bei einigen der eingebauten Geräte habe es Softwarefehler gegeben, heißt es in dem Schreiben.

Ein Speditionsunternehmen hat unterdessen Schadenersatz vom Maut-Betreiberkonsortium Toll Collect gefordert. Die Spedition LIT-Cargo im niedersächsischen Brakel hat Toll Collect zur Zahlung von „etwa 30 000 Euro“ aufgefordert, wie ihr Rechtsanwalt Jens-Peter Gieschen am Mittwoch in Bremen mitteilte. „Es ist zu erwarten, dass sich andere Unternehmen der Klage anschließen“, sagte Gieschen. Ein Sprecher von Toll Collect in Berlin wies die Forderungen zurück und erklärte, für Schadenersatzforderungen gebe es keine Gründe. Der Anwalt erklärte, er habe Toll Collect zur Zahlung innerhalb von sieben Tagen aufgefordert. Für den Weigerungsfall kündigte er Klage an. Nach Angaben des Anwalts stellen auch mehrere Subunternehmer Schadenersatzforderungen.

Stolpe musste sich im Bundestags-Haushaltsausschuss auch massive Kritik der Opposition gefallen lassen. Die Verhandlungen mit dem Betreiberkonsortium Toll Collect seien „dilettantisch“ geführt worden, sagte CDU-Haushaltsexperte Dietrich Austermann. Der Minister habe unter Beweis gestellt, „dass er die Lage nicht im Griff hat“. Der FDP-Wirtschaftsexperte Günter Rexrodt bezeichnete Stolpes Auftritt nach der nicht-öffentlichen Sitzung als „über alle Maßen unbefriedigend“. Stolpe betonte, dass bis Anfang Oktober auch die Nachverhandlungen zwischen Ministerium und Toll Collect über Vertragsstrafen und Haftungsregelungen abgeschlossen werden sollen. „Ich gehe davon aus, dass ein gerechter Interessenausgleich erzielt werden kann und das Ganze nicht auf dem Buckel der Steuerzahler ausgetragen wird.“

Über den Beginn des immer noch nicht angelaufenen vierwöchigen Probebetriebs der Lkw-Maut soll jetzt laut Stolpe ein „Workshop“ am 29. und 30. September entscheiden.

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