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Notenbanken: Verbranntes Geld - Inflationsgefahr wächst

Rund um den Globus drücken die Notenbanken Billionen in die Wirtschaft. Weil dem vielen Geld von Zentralbanken und Regierungen keine realen Werte gegenüberstehen, wächst die Gefahr einer Inflation.

Berlin - Am Ende war es einfacher, das Geld zu wiegen, als es Schein für Schein nachzuzählen. Hausfrauen verfeuerten das Papiergeld im Herd. Pfarrer, die nach Gottesdiensten um die Kollekte baten, mussten Waschkörbe bereithalten. Und wer ins Restaurant ging, musste damit rechnen, dass sich die Zeche während der Mahlzeit verdoppelte – mindestens.

Die Bilder aus dem Krisenjahr 1923 haben sich in das kollektive Gedächtnis der Deutschen eingebrannt. Es sind Bilder aus der Zeit der Hyperinflation, als die Reichsmark monatlich 322 Prozent an Kaufkraft verlor, die Notenpressen rund um die Uhr liefen und die Reichsbank Deutschlands bis heute höchsten Geldschein in Umlauf brachte – Nennwert: 100 Billionen Mark.

Die Angst vor einem solchen Szenario sitzt seitdem tief. Hyperinflation, also eine Geldentwertung von 50 Prozent und mehr pro Monat, diese Gefahr ist durch die Weltwirtschaftskrise wieder sehr nahe gerückt. Spätestens seit vergangenem Mittwoch, als die amerikanische Zentralbank Federal Reserve (Fed) beschloss, in bisher nie gekanntem Ausmaß frische Dollar zu drucken. Eine Billion Dollar feuert sie ab, um Staatsanleihen, hypothekenbesicherte Wertpapiere und faule Kredite aufzukaufen. Bereits seit der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers hatten Fed-Chef Ben Bernanke und seine Leute die Bilanzsumme der Bank enorm aufgebläht. „Rambo Ben“ oder auch „Helicopter Ben“ wird Bernanke seitdem genannt – in Anspielung auf seine frühere Empfehlung, in Krisen müsse der Staat per Hubschrauber Geld über den Leuten abwerfen.

Zugleich versuchen die Staaten rund um den Globus, die Rezession mit milliardenschweren Rettungsprogrammen zu bekämpfen – finanziert über Schulden. Die Folge: Weil dem vielen Geld von Zentralbanken und Regierungen keine realen Werte gegenüberstehen, wächst die Gefahr einer Inflation, sobald die Krise vorüber ist.

In der nächsten Zeit, da sind sich viele Forscher einig, wird Geldentwertung allerdings noch kein Thema sein. Im Gegenteil: Das Preisniveau dürfte über einige Monate sinken. Seit Sommer 2008 ist die Inflationsrate in den USA bereits von 5,6 auf 0,2 Prozent gefallen, in Europa von 3,3 auf 1,0 Prozent. Doch auch dauerhaft sinkende Preise (Deflation) sind für Politiker eine Horrorvorstellung: Bürger und Firmen schieben Anschaffungen auf die lange Bank, weil sie auf noch günstigere Preise hoffen, Kredite steigen im Wert, eine Pleitewelle und Arbeitslosigkeit folgen. So war es in der Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre – aus der Deflation wurde eine Depression. Zwischen 1930 und 1933 sank die deutsche Wirtschaftsleistung um ein Drittel.

Mit Inflation haben die Regierungen, allen voran die USA, dagegen zunächst kein Problem. Die Staatsschulden werden schleichend entwertet und die hohen Verbindlichkeiten der Haushalte gleich mit. „Auf diese Weise haben die USA nach großen Krisen oder Kriegen immer ihre Schulden entwertet. Bislang hat es funktioniert“, weiß Thomas Mayer, Europa-Chefvolkswirt der Deutschen Bank.

Aber die Geldentwertung darf nicht aus dem Ruder laufen. Noch treibt das Kapital nicht die Preise, weil es nur die Löcher in den Bankbilanzen stopft, statt in der Wirtschaft zu zirkulieren. „Sobald sich die Konjunkturlage bessert, müssen die Zentralbanken das Geld wieder einsammeln“, rät Thomas Straubhaar, Präsident des Hamburger Wirtschaftsforschungsinstituts HWWI. Es gilt also, ab 2010 Anleihen wieder zu verkaufen und die Zinsen heraufzusetzen. Straubhaar fürchtet, dass der Aufschwung einen unangenehmen Nebeneffekt haben wird: Öl, derzeit billig, könnte wieder extrem knapp und damit teuer werden – das würde die Inflation zusätzlich anheizen.

Die EZB wird allerdings vor einem delikaten Problem stehen. Längst sind die Finanzen einiger Euro-Staaten ausgeufert, sie müssen saftige Zinsaufschläge bezahlen, wenn sie sich verschulden wollen. „Eine straffere Geldpolitik könnte für einige Länder den Staatsbankrott bedeuten“, warnt Straubhaar. Deshalb würden EZB-Chef Jean-Claude Trichet und seine Leute unter Druck stehen, die Politik des billigen Geldes möglichst lange zu fahren. Die Folge: Inflation. „Wir werden uns auf Raten von fünf bis zehn Prozent einstellen müssen. Das ist der Preis der Krise, den Europa zahlen wird“, befürchtet Straubhaar. Dieser Zustand könne fünf bis zehn Jahre anhalten, glaubt auch Deutsche-Bank-Mann Mayer. „Die Alternativen sind Deflation mit Depression oder aber Hyperinflation“, fügt er hinzu. „Da scheint mir mäßige Inflation noch das geringste Übel zu sein.“

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