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Notkredite: EU-Gipfel gibt 50 Milliarden Euro für Osteuropa frei

Die Europäische Union verdoppelt ihre Notkredite für osteuropäische Mitgliedstaaten auf 50 Milliarden Euro. Die Bundesregierung hatte zunächst vor einem "falschen Signal" gewarnt. Gleichzeitig legte die EU einen Forderungskatalog für den Kampf gegen Exzesse auf den Finanzmärkten vor.

Zwei Wochen vor dem Weltwirtschaftsgipfel (G20) in London legt Europa die Latte im Bestreben nach einer besseren Regulierung der Finanzmärkte hoch. Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten einigten sich am Freitag in Brüssel auf einen gemeinsamen Forderungskatalog an die USA, China und die anderen führenden Volkswirtschaft der Erde, wie Diplomaten sagten. Der Internationale Währungsfonds (IWF) soll eine zentrale Rolle spielen und zu einer Art Finanzfeuerwehr mit mehr Macht und Geld ausgebaut werden, wie es in einem Entwurf für die Abschlusserklärung des Gipfels hieß.

Außerdem beschlossen die "Chefs" nach Angaben von Diplomaten ihren "Notfallfonds" für Mitgliedstaaten in akuten Finanznöten auf 50 Milliarden Euro zu verdoppeln. Der Fonds kann nur von EU-Ländern genutzt werden, die den Euro noch nicht eingeführt haben. Es handelt sich um eine Kreditlinie, die die Kommission nutzen kann, um dann den Staaten zu helfen.

Solidarität im Notfall

Die EU hatte ihren "Notfallfonds" im vergangenen Jahr auf 25 Milliarden Euro verdoppelt. Ungarn erhielt davon 6,5 Milliarden Euro, Lettland 3,1 Milliarden Euro. Derzeit hat aber auch keines der Euro-Länder konkrete Probleme, wie Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker sagte. "Es wird auch nicht passieren, dass ein Euroland zahlungsunfähig wird." Aber auch die Euro-Länder können im Notfall auf Solidarität der Partner bauen.

"Ich bin der Meinung, man kann nicht in Zeiten, wenn die Märkte wachsen, von Marktchancen sprechen - und wenn eine kritische Entwicklung ist, dann plötzlich die betroffenen Menschen vergessen", verteidigte österreichische Kanzler Werner Faymann die Aufstockung. "Die Exportweltmeister haben auch eine gewisse Verantwortung, wenn das Wachstum in einem Jahr nicht vorhanden ist." Österreichs Bankensektor ist mit den von der Finanzkrise besonders betroffenen Staaten in Mittel- und Osteuropa erheblich verflochten.

Mitten in der schwersten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg setzte die EU schon am Donnerstag ein Signal der Solidarität. Nach monatelangem Streit einigte sich die Gipfelrunde auf ein fünf Milliarden Euro schweres Konjunkturprogramm. Vier Fünftel der Mittel sollen in den Ausbau grenzübergreifender Gas- und Stromleitungen sowie alternativer Energien fließen.

Merkel dringt auf schnelle Maßnahmen

Auf schnelle Investitionen hatte vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel gedrungen. Da das Paket aus EU-Haushaltsgeldern bestritten wird, muss Deutschland als größter Brüsseler Nettozahler rund eine Milliarde Euro dafür aufbringen. Schwächere Volkswirtschaften in der EU profitieren massiv davon.

Wie EU-Diplomaten berichteten, erhielt Deutschland indes Zusagen, dass die Wettbewerbsregeln für Breitband-Anbieter wie die Deutsche Telekom gelockert werden. Es gehe um die sogenannte Risikoteilung. So solle die Möglichkeit geschaffen werden, dass ein Unternehmen investiere und andere Wettbewerber - etwa Vodafone - sich am Risiko beteiligten. Derzeit verhandeln die EU-Mitgliedstaaten über einen neuen Rechtsrahmen für den europäischen Telekomsektor.

Insgesamt nehmen die EU-Staaten im Kampf gegen die Krise zusammen rund 400 Milliarden Euro oder 3,3 Prozent der gemeinsamen Wirtschaftsleistung in die Hand. Das gemeinsame Programm hat also einen vergleichsweise geringen Anteil.

Experte fordert mehr Konjunkturhilfen

Die USA ebenso wie Wirtschaftswissenschaftler, Sozialdemokraten und Gewerkschafter fordern, dass Europa mehr Geld auf den Tisch legt, um den Konjunktureinbruch zu dämpfen. Peter Bofinger, Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, nannte das Paket "unangemessen". "Das ist so ähnlich, wenn ihr Haus brennt und sie rufen nicht die Feuerwehr, sondern sie versuchen das mit der Gießkanne zu löschen", sagte er bei MDR Info. Nötig seien 50 bis 75 Milliarden-Euro.

Die Mittel des IWF müssten auf 500 Milliarden Dollar (366 Mrd Euro) verdoppelt werden, hieß es im Gipfel-Entwurf. Über den europäischen Anteil an den zusätzlichen 250 Milliarden Dollar werden die Staats- und Regierungschefs wohl keine Entscheidung treffen. Bislang war im Gespräch, dass die EU insgesamt 75 Milliarden Euro schultert. Die Summe dürfte bis zum Treffen in London noch unter den EU-Ländern ausgehandelt werden. Ein Staat, der mehr zahlt, wird auch mehr zu sagen haben.

Die Zusammenarbeit zwischen IWF und dem von den Industrieländern getragenen Forum für Finanzstabilität (FSF) müsse verbessert werden, fordert die EU. Die im April 2008 beschlossene Reform des IWF müsse "rasch" umgesetzt werden. Auch das FSF müsse institutionell gestärkt werden. Die Ausweitung des FSF auf alle Mitglieder der Gruppe der 20 größten Volkswirtschaften der Welt (G20) sowie Spanien und die EU-Kommission werde begrüßt.

Dorothée Junkers[dpa]

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