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Wirtschaft: Nur eine schöne Vision

Cargolifter ist nicht an der Technik gescheitert, das Unternehmenskonzept war zu luftig

Berlin. Für 70 000 Kleinaktionäre ist die Mitteilung des Bundeswirtschaftsministers bitter: Werner Müller „muss leider feststellen“, dass er keine Steuergelder locker machen will, um ihre Gesellschaft zu retten. Damit ist auch der letzte Funken Hoffnung verflogen, dass mit den Aktien des Luftschiffbauers Cargolifter noch Kasse zu machen wäre. Am Montag bewertete die Börse das gesamte Unternehmen mit gerade mal 15 Millionen Euro. Ein Schnäppchenpreis, wenn man bedenkt, was allein die Montagehalle im Brandenburgischen und das Know-how Wert sein könnten.

Doch kein Investor beißt an, auch wenn seit Monaten darüber spekuliert wird. Nicht einmal der Luft- und Raumfahrtriese Boeing, der noch vor wenigen Tagen eine Forschungsvereinbarung mit Cargolifter geschlossen hatte. Zu Recht moniert daher der Wirtschaftsminister, dass immer noch kein tragfähiges Konzept vorliegt, ein privater Investor nicht in Sicht ist. Folglich wird Staatshilfe verweigert.

Spätestens seit Januar, als der Firmengründer und Spiritus Rector des ehrgeizigen Luftschiffprojektes, Carl von Gablenz, erstmals öffentliche Hilfe einforderte, war klar: Die Leichter-als-Luft-Technologie ist eine Nummer zu groß für ein rein privat finanziertes Unternehmen. Das Ziel, innerhalb weniger Jahre ein Mega-Luftschiff für Traglasten bis zu 160 Tonnen zu bauen war eben ehrgeizig, aber nicht zu erreichen. Da hatte sich von Gablenz immer selbst – und seinen Aktionären – etwas vorgemacht. Im Laufe der Jahre wuchsen nicht nur die technischen Anforderungen und Probleme, die es zu bewältigen galt. Auch der Finanzbedarf kletterte in immer neue Dimensionen. Anfangs sollte der Lufttransporter CL 160 für rund 250 Millionen Euro auf die Beine gestellt werden, am Ende schwankten die Prognosen zwischen 500 und 600 Millionen Euro. Hatten von Gablenz und seine am Ende 500 Köpfe zählende Mannschaft die Technikfragen noch halbwegs im Griff, die Finanzierung stand weitgehend in den Sternen.

Immerhin: 317 Millionen Euro machte der beredte Firmenchef seit 1996 bei privaten Investoren locker – eine enorme Summe. Dabei profitierte von Gablenz zweifellos von der Euphorie an der Börse: Zukunftsprojekte waren vor zwei, drei Jahren über den Finanzmarkt ohne Probleme finanzierbar, Geld reichlich vorhanden, Risikobereitschaft der Anleger ebenso. Sechs Jahre nach Firmengründung ist das Geld verbraucht, die Aktionäre sind jetzt nicht mehr bereit, weitere Finanzen nachzuschießen.

Beklagen können sie sich nicht, allenfalls den drohenden Verlust ihres gesamten eingesetzten Kapitals. Denn schon beim Börsengang vor zwei Jahren musste allen klar gewesen sein, dass sie hier in ein extrem riskantes Projekt einsteigen, dessen Ausgang völlig ungewiss ist. Der klassische Investor bei Cargolifter ist nicht der Spekulant auf schnelle Gewinne. Der typische Cargolifter-Aktionär ist eher begeisterter Anhänger der Luftschiff-Technologie, die in Deutschland eine große Tradition und deshalb eine treue Fangemeinde hat. Aber auch das vernebelt den Blick für die Realitäten.

Technisch, sagen die meisten Luftfahrtexperten, ist der Cargolifter zweifellos machbar. Die Frage ist nur, ob es für den Transport schwerer Güter auf diesem ungewöhnlichen Wege einen Markt gibt. Das wird bezweifelt, weil auf dem Land- und Wasserweg bereits Alternativen existieren. Cargolifter eröffnet also keinen neuen Markt, sondern konkurriert mit Bahn, Schiff und Lastkraftwagen. Und: Die Forschungskooperation mit Boeing zeigt, dass Cargolifter die Entwicklung vielleicht in die falsche Richtung getrieben hat. Denn Boeing will die Technik nicht für Schwerlasttransporte, sondern zum Bau von Luftschiffen zur militärischen Überwachung des US-Territoriums und damit für ein völlig anderes Einsatzgebiet prüfen.

Firmengründer von Gablenz hat im Unternehmen inzwischen nichts mehr zu melden, die Regie haben andere, allen voran Insolvenzverwalter Rolf-Dieter Mönning, übernommen. Von Gablenz, so wurde der Eindruck erweckt, störte am Ende nur die Versuche, Cargolifter zu retten. Die Schuld für das Ende allein ihm in die Schuhe zu schieben, wäre aber zu einfach. Schließlich sind ihm alle, auch und gerade die Kleinaktionäre, bis vor wenigen Monaten willig und begeistert gefolgt. Das Grundproblem ist mit und ohne Firmengründer dasselbe: Ohne staatliche Anschubfinanzierung konnte der Cargolifter nicht in Fahrt gehen.

Von Gablenz hat immer die Benachteiligung gegenüber anderen Luftfahrtprojekten wie Airbus beklagt, der auch nur mit massiver Hilfe an den Start gehen konnte. Nur gibt es einen großen Unterschied: Dass der Airbus fliegen und die weltweite Luftfahrt einen schnellen Aufschwung erleben wird, stand von Anfang an außer Frage. Der Cargolifter ist dagegen noch heute eine schöne Vision. Dieter Fockenbrock

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