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Wirtschaft: Ökonomen wollen Verschuldung erschweren

Heftige Kritik am Haushaltsentwurf des Bundesregierung / Opposition will Etat im Bundesrat ablehnen

Berlin (asi). Der Mainzer Finanzwissenschaftler Rolf Peffekoven fordert schärfere Regeln im deutschen Grundgesetz für die Verschuldung des Staates. Der Paragraf 115, der in der Verfassung regelt, dass Politiker in bestimmten Fällen mehr Kredite aufnehmen dürfen als sie für Investitionen ausgeben, „muss konsequenter gefasst werden“, sagte Peffekoven dem Tagesspiegel am Dienstag. Politikern dürfe es in Zukunft nicht mehr so leicht gemacht werden, eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts festzustellen und damit öffentliche Schuldenprogramme zu begründen. „Zumindest politische Sanktionen müssen her“, fordert Peffekoven.

Aktueller Anlass ist der Beginn der Haushaltsdebatte im Bundestag, in der Finanzminister Hans Eichel (SPD) am Dienstag den Etatentwurf 2004 einbrachte. Dieser sieht bei einer Investitionssumme von rund 24,8 Milliarden Euro eine Neuverschuldung von 30,8 Milliarden Euro vor. Zur Begründung für den Verstoß gegen das Grundgesetz erklärte Eichel, er sehe für 2004 eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts voraus. Zu deren Abwendung habe das Kabinett entschieden, die Steuerreformstufe II von 2005 auf 2004 vorzuziehen. Die daraus resultierenden Steuermindereinnahmen wolle die Regierung zum größten Teil über neue Schulden und mit rund zwei Milliarden Euro über Privatisierungen finanzieren. „Alles andere würde die Anschubeffekte für Investoren und Konsumenten zunichte machen“, sagte Eichel in der Debatte.

Gleichzeitig räumte der Minister enorme Gefahren für seine Haushaltsplanung ein und bezweifelte das Erreichen der rotgrünen Konjunkturprognose für das kommende Jahr. Der Etat 2004 sei das Zahlenwerk mit den bislang „größten Risiken“ seiner fünfjährigen Amtszeit, sagte er . „Das sind die Folgen von drei Jahren Stagnation.“ Den Entwurf verteidigte Eichel als „Dreiklang“ aus Haushaltskonsolidierung, Strukturwandel und Konjunkturunterstützung. Er zeigte sich zuversichtlich, dass die Menschen verstehen, dass angesichts der ökonomischen und demografischen Lage des Landes staatliche Ausgaben und Leistungen gekürzt werden müssen. „Es wird Zumutungen für alle geben“, sagte Eichel.

Die Opposition verlangte von Eichel, sein „Zahlen-Inferno“ zurückzuziehen, da es „voller Luftbuchungen“ sei. Erstmals soll ein Bundeshaushalt im Bundesrat abgelehnt werden. Dies kündigte der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber an. Eichels Etat beruhe auf falschen Annahmen zur Entwicklung der Arbeitslosigkeit, Konjunktur sowie den Steuereinnahmen und sei wegen zu hoher Neuverschuldung verfassungswidrig. Das Veto solle Eichel „zur Vorlage ehrlicher Zahlen zwingen“. In der Etatdebatte, die in den nächsten Tagen fortgesetzt wird, sagte der CDU-Finanzexperte Friedrich Merz: „Die Regierungsvorlage ist keine beratungsfähige Grundlage.“

Peffekoven, ehemaliges Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der Wirtschaft, bezweifelte, dass die Pläne Eichels, die Steuerreform vor allem über Kredite zu führen, ein richtiger Schritt zur Abwendung der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ist. „Schulden erzeugen kein Vertrauen und bringen keine Arbeitsplätze“, sagte er.

Der Haushaltsexperte des Berliner Forschungsinstituts DIW, Dieter Vesper, verteidigte zwar die Kreditfinanzierung der Bundesregierung. Gleichzeitig forderte er jedoch ein „verbindliches Konzept zum Schuldenabbau ab 2006“, um die Folgelasten der Kredite zu begrenzen. Allein die Neuverschuldung des Bundes in diesem Jahr koste ab 2004 pro Jahr zwei Milliarden Euro Zinsen. Bei einer ähnlichen Kreditsumme 2004 müsste der Bund im Jahr danach vier Milliarden Euro zusätzlich für Zinsen zahlen.

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