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Strom aus alternativen Energiequellen ist so gefragt wie nie.

© DPA

Ökostrom gefragt: Atomausstieg privat

Immer mehr Kunden kündigen ihren Versorgern, weil sie nur noch ökologisch produzierten Strom wollen.

Berlin - Nach der Atomkatastrophe in Japan kehren viele Verbraucher dem Atomstrom den Rücken und wollen stattdessen Ökostrom beziehen. „Japan hat wie ein Weckruf gewirkt“, sagte Ralf Kampwirth, Sprecher des Ökostromanbieters Lichtblick, dem Tagesspiegel. In den vergangenen Tagen habe sich die Zahl der Neukunden fast verdreifacht, berichtet Kampwirth. Statt 300 seien es derzeit 800 am Tag.

Auch andere Anbieter von Ökostrom profitieren von der wachsenden Skepsis gegenüber der Atomkraft. Die EWS Elektrizitätswerke Schönau haben ihre Abschlüsse um das Vierfache gesteigert, Greenpeace Energy konnte in den vergangenen Tagen sogar acht Mal so viele Neuabschlüsse verzeichnen wie sonst. „So einen Ansturm innerhalb kürzester Zeit haben wir noch nicht erlebt“, sagte Greenpeace-Energy-Vorstand Robert Werner dem Tagesspiegel. Beim Konkurrenten Naturstrom spricht man gar von einem „Allzeithoch“ in der 13jährigen Unternehmensgeschichte. Seit dem Erdbeben hat es bei den Vertragsabschlüssen via Internet eine Verzehnfachung gegeben. Anfang März hatte Naturstrom rund 130 neue Kunden am Tag, jetzt sind es fast 1200. Was noch auf dem Postwege hinzukomme, könne man noch nicht abschätzen, hieß es am Donnerstag auf Anfrage. „Es ist bedrückend, was in Japan passiert“, sagte Vorstandsmitglied Thomas Benning, „doch das Positive an der Katastrophe ist, dass jetzt sehr viele Bürger selber anfangen zu handeln und den Stromanbieter wechseln.“

Auch Internetportale wie Check24, Verivox oder Toptarif registrieren ein wachsendes Interesse an ökologisch erzeugtem Strom. Mit einem Anteil von rund 1,2 Prozent am Strommarkt führt der Ökostrom bisher ein Schattendasein. Daher freuen sich Verbraucherschützer über das Interesse der Kunden am Wechsel. „Das ist ein Zeichen für den mündigen Verbraucher“, sagte Holger Krawinkel, Energieexperte des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen (VZBV).

Allerdings warnen Verbraucherschützer die Kunden davor, irgendeinen Ökostromanbieter zu wählen. Denn nicht alles, was unter dem Label Ökostrom verkauft wird, ist auch wirklich öko, kritisiert die Stiftung Warentest. Der Trick: Betreiber von Ökostromkraftwerken erhalten für jede erzeugte Megawattstunde Strom ein Zertifikat für die umweltschonende Herstellung. Diese RECS-Zertifikate („Renewable Energy Certificate System“) werden getrennt vom Strom europaweit gehandelt. „So kann zum Beispiel ein Stromanbieter in Deutschland RECS-Zertifikate eines norwegischen Wasserkraftwerks kaufen und seinen Kunden damit einen Ökostromtarif anbieten, obwohl er physikalisch nur Atomstrom liefert“, kritisiert die Stiftung Warentest.

Verbraucher sollten zu den Firmen gehen, die den Neubau von umweltfreundlichen Kraftwerken fördern, raten die Tester. In unserer Tabelle haben wir Versorger, die mit RECS-Zertifikaten arbeiten, außen vor gelassen. Die Aufstellung enthält nur Tarife mit den Zertifikaten „OK Power Label“ und „Grüner Strom Label“. „Diese garantieren, dass tatsächlich 100 Prozent des Stroms umweltschonend produziert werden“, betont Eva Kollmann von Check24. Verbraucher sollten sich von höheren Preisen nicht abschrecken lassen. „Das ist ein gutes Zeichen, dass es sich wirklich um Ökostrom handelt“, sagt VZBV-Experte Holger Krawinkel.

Dem Strom sieht man nicht an, ob er mit Hilfe von Atomkraft, Kohle oder ökologisch produziert worden ist. Ökostrom kommt aus einer Biogasanlage oder wird mit Wind-, Wasser- oder Sonnenkraft erzeugt. Auch Strom aus Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung gilt als Ökostrom. Windmüller wie Atromkraftwerksbetreiber speisen ihren Strom – bildlich gesprochen – in einen großen See, aus dem alle Kunden bedient werden. Wer Ökostrom gekauft hat, sorgt dafür, dass mehr Öko- als Atomstrom in den See fließt. Er kann aber nicht sicher sein, dass aus seiner Steckdose Ökostrom fließt.

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