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Wirtschaft: Öl-Aktien: Gewinne sprudeln nicht ewig

Wer sich vor einem halben Jahr Ölaktien ins Depot gelegt hat, kann sich heute über sprudelnde Kursgewinne freuen. Der Anstieg des Ölpreises von fast 60 Prozent innerhalb eines Jahres hat vor allem die Aktien der ölproduzierenden Konzerne stimuliert und damit Anleger am Boom teilhaben lassen.

Wer sich vor einem halben Jahr Ölaktien ins Depot gelegt hat, kann sich heute über sprudelnde Kursgewinne freuen. Der Anstieg des Ölpreises von fast 60 Prozent innerhalb eines Jahres hat vor allem die Aktien der ölproduzierenden Konzerne stimuliert und damit Anleger am Boom teilhaben lassen. Aber die Spannung steigt: Ist das Potenzial nach der am Wochende von der Opec angekündigten Ausweitung der Fördermengen ausgeschöpft? Müssen Anleger jetzt an den Ausstieg denken?

Analysten bleiben optimistisch. "Das positive Szenario hat sich nach der Opec-Ankündigung nicht geändert, das Umfeld für Ölaktien bleibt geradezu ideal", sagt Manfred Jaisfeld von der WGZ-Bank. "Die geplante Opec-Quotenerhöhung ist wie erwartet ausgefallen, der Ölpreis wird weiter steigen." Profitieren werden von dieser Entwicklung nach Meinung der meisten Analysten vor allem die großen Konzerne, die nicht nur im Tankstellen- oder Raffineriegeschäft tätig sind, sondern auch selbst Öl fördern: BP Amoco (Wertpapierkennnummer: 850 517), Royal Dutch (907 505) und Total Fina (850 727). Alle drei hat auch Manfred Jaisfeld als "Outperformer" eingestuft - überdurchnittlich. Trotz seiner Zuversicht gibt der WGZ-Analyst jedoch zu bedenken, dass die Aktien nach den teils dramatischen Kursgewinnen schon sehr teuer sind. "Der Einstieg wird für Anleger immer riskanter." Der Ölrausch wird nicht ewig dauern: Herabstufungen der Favoriten seien nicht ausgeschlossen, im kommenden Jahr, wenn auf dem Ölmarkt wieder fallende Preise erwartet werden, sogar wahrscheinlich.

Insbesondere die italienische Gesellschaft ENI (897 791) und die spanische Repsol (876 845) - beide im Euro Stoxx-50-Index notiert - sollten nach Ansicht von Experten genau unter die Lupe genommen werden. Bei der Hypo-Vereinsbank läuft ENI schon länger als "Underperformer" (unterdurchschnittlich), Energie-Analystin Christiane Nestroy hat Repsol auf "neutral" eingestuft. Nach ihrer Prognose wird der Ölpreis (Marke Brent) auch 2001 einen Jahresdurchschnitt wie im laufenden Jahr erreichen, rund 29 Dollar pro Barrel (159 Liter) also. Allenfalls Anfang 2001 könne es einen vorübergehenden Anstieg bis 36 Dollar geben (aktuell rund 34 Dollar). Der Weg nach oben scheint also im kommenden Jahr begrenzt. Chancen sieht Nestroy derzeit vor allem im Raffineriegeschäft. Die sich leerenden Läger der rohstoffverarbeitenden Industrie erhöhten die Nachfrage, die Raffinerien seien maximal ausgelastet: "Es wird durchgepumpt, was möglich ist." Ausgesprochen eng sei dagegen die Sitauation bei den Tankstellenbetreibern, die Nestroy eher als Verlierer einstuft. Überkapazitäten, hohe Inputpreise und kleine Margen - kein Stoff, der die Fantasie der Börse weckt. Einzige Ausnahme: Total Fina Elf. "Die Fusion der Konzerne wirdenorme Synergieeffekte freigesetzt", sagt die Analystin. Ihr Fazit: Die Total-Fina-Aktie ("outperformer") wird besser laufen als der Euro-Stoxx-50. Auf "halten" heruntergesetzt hat ihr Kollege Axel Breil von der Nord/LB ENI, Royal Dutch und Total Fina. Breil argumentiert, die meisten Anleger hätten Kursgewinne ohnehin längst verbucht. Die Branche bleibe interessant, wer allerdings früh investiert habe könne nun "Gewinne mitnehmen".

Leidtragende des Ölpreis-Anstiegs ist die Chemiebranche, die als Weiterverarbeiter des Rohstoffs unter den hohen Kosten zu leiden hat. Die Bankgesellschaft hat deshalb den Chemiesektor am vergangenen Freitag als "negativ" herabgestuft. Oliver Günter, Chemie-Analyst der Bankgesellschaft, begründet die Einschätzung freilich nicht nur mit dem Ölpreis, "der uns ja schon länger beschäftigt". BASF, Celanese, Degussa und SKW Trostberg zum Beispiel hätten sich im Vergleich zu großen US-Branchenvertretern wie Dupont oder Dow Chemical zuletzt sehr viel besser gehalten - auch wegen des hohen Dollarkurses. "Diese Lücke könnte sich bald schließen", meint Günter. Anleger sollten die Finger von Chemiewerten lassen. Paradox: Chemieaktien sind nach Günters Meinung empfehlenswert, wenn alle von der Rezession sprechen. "Dann", so der Analyst, "ist die Börse ohnehin schon weiter."

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