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Hierzulande arbeiten rund 5,5 Millionen Menschen im Gesundheitssektor, davon rund 1,1 Millionen in Krankenhäusern.

© dpa

Online-Befragung des Instituts für Arbeit und Technik: Keine Zeit für den Patienten

Laut einer Mitarbeiterbefragung stößt das Personal in Krankenhäusern an seine Belastungsgrenzen.

Zu viele Aufgaben, oft keine Zeit fürs Wesentliche und obendrein keine adäquate Bezahlung: Die Mitarbeiter von deutschen Krankenhäusern sind unterm Strich mit ihren Arbeitsbedingungen unzufrieden. Das ist das Ergebnis einer nicht repräsentativen Online-Befragung des Gelsenkirchener Instituts für Arbeit und Technik (IAT) im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung, die am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. Für die Studie erhoben die Wissenschaftler Daten von mehr als 2500 Ärzten, Pflegekräften, Physiotherapeuten, Sozialarbeitern und anderem Klinikpersonal in ganz Deutschland. Hierzulande sind rund 5,5 Millionen Menschen im Gesundheitssektor beschäftigt, davon rund 1,1 Millionen in Krankenhäusern.

Hektik prägt den Alltag

Laut der Studie herrscht in Deutschlands Kliniken vor allem ein Tempo vor: Hektik ist es, die den Arbeitsalltag in den Kliniken prägt. Dazu haben aus Sicht der IAT-Wissenschaftler nicht nur die umfassenden Stellenstreichungen und steigende Patientenzahlen in den vergangenen Jahren beigetragen. Vor allem die befragten Pflegerinnen und Pfleger berichten über eine extreme Arbeitsverdichtung in ihrem Tätigkeitsbereich: 71 Prozent von ihnen gaben an, auf ihrer Station seien Pflegestellen abgebaut worden.

Kaum Zeit für Zwischenmenschliches

Vor allem aber beklagt ein großer Teil dieses Personals, dass neben der medizinischen Versorgung und Körperpflege der Patienten kaum noch Zeit fürs Zwischenmenschliche bleibt. Zwei Drittel der befragten Pfleger und die Hälfte der Mediziner sagen, bei ihrer täglichen Arbeit kämen zum Beispiel die Information, Anleitung und Beratung von Patienten zu kurz. Statt sich damit zu beschäftigen, übernehmen sie in immer größerem Maße auch medizinische Aufgaben und kümmern sich beispielsweise um die Versorgung von Wunden, legen Kanülen oder verabreichen Spritzen.

Einsatz auch für Botendienste

Zudem wird ein großer Teil des Pflegepersonals in den Krankenhäusern laut der Studie auch für gänzlich fachfremde Aufgaben eingesetzt: Rund 40 Prozent der Befragten in diesem Bereich erledigen auch Transporte, Botendienste, Reinigungsarbeiten, Verwaltungsaufgaben oder hauswirtschaftliche Tätigkeiten.

Im Gehalt schlägt sich die Aufgabenvielfalt bei den Pflegern aber nicht nieder – sie verdienen im Schnitt weniger als 2000 Euro (brutto) im Monat. Ärzte verdienen laut der Studie mindestens doppelt so viel: Ihre Arbeit wird durchschnittlich mit einem Monatsgehalt zwischen 4200 und 4600 Euro vergütet.

Es fehlt an Empirie

„Die Politik muss mehr Geld in die Krankenhäuser investieren“, fordert der für die Studie verantwortliche Wissenschaftler Josef Hilbert. Aus seiner Sicht ist die Arbeitsorganisation in Deutschlands Kliniken zu wenig strategisch ausgerichtet. „Es gibt hierzulande niemanden, der sondiert, was sich im Krankenhausbetrieb bewährt hat und was nicht“, sagte Hilbert. Die Personalbemessung im Gesundheitssektor sei „eine der wichtigsten Baustellen“, der sich die Politik in Zukunft annehmen müsse.

„Die Arbeitsverdichtung ist in der Tat in den Krankenhäusern groß“, bestätigt der Hauptgeschäftsführer der deutschen Krankenhausgesellschaft Georg Baum. „Die Krankenhäuser sind ihren Mitarbeitern gegenüber in der Pflicht“, sagt Baum. Aber es fehle das Geld, um Investitionen zu stemmen und die Personalkosten zu refinanzieren.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein Problem

Auch aus Sicht der Ärzte-Vereinigung Marburger Bund gibt es mit Blick auf die Arbeitsbedingungen in deutschen Krankenhäusern erheblichen Verbesserungsbedarf. Die aktuelle Studie der Hans-Böckler-Stiftung deckt sich laut Verbandssprecher Hans-Jörg Freese weitgehend mit den Erkenntnissen aus eigenen Daten, die der Marburger Bund seit 2007 einmal pro Jahr bei seinen Mitgliedern erhebt. Bei den Ärzten seien vor allem die Gestaltung der Arbeitszeit und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie aber auch die Besetzung freier Stellen „nach wie vor ein großes Problem“, sagt er.

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