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Viel zu tun. Das Versandzentrum von Amazon in Leipzig. Foto: dapd

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Onlineshops: Mit einem Klick zur Kasse

Die deutschen Onlineshops werden voraussichtlich fast vier Milliarden Euro im Weihnachtsgeschäft umsetzen. Das wäre ein Rekord.

Düsseldorf - Dem Internetversender Neckermann.de ist wenig heilig, im lukrativen Weihnachtsgeschäft schon gar nicht. „Service-Wette“ nennt er – wenig beschaulich – sein adventliches Verkaufsangebot vor dem Fest. Jedem Kunden, der bis zum 23. Dezember Punkt zwölf Uhr bestellt, wird die Lieferung bis Heiligabend garantiert, verspricht der Frankfurter Versender. Falls nicht, verzichtet Neckermann auf den Kaufpreis.

Wenige Tage vor der Bescherung, so scheint es, strotzen Deutschlands Onlineshops vor Selbstbewusstsein. 45 Prozent der Onlinehändler, fand Ebay in einer Befragung seiner Powerseller heraus, erwarten im Jahresvergleich steigende Umsätze für das Weihnachtsgeschäft 2010. Für die Verkäufer Grund zur Freude, denn fast ein Viertel ihres Umsatzes (22 Prozent) erwirtschaften sie mit Einkäufen und Geschenken vor dem Fest.

Der Kaufrausch im Internet trifft den traditionellen Handel hart. Laut einer Umfrage der Wirtschaftsprüfungsfirma Ernst & Young wollen die Deutschen im Schnitt Weihnachtsgeschenke für 36 Euro am Bildschirm ordern – 2009 lag das Budget nur bei 31 Euro. Deutliche Einbußen müssen hingegen die Waren- und Kaufhäuser befürchten: Bei Karstadt, Kaufhof und anderen wollen die Konsumenten nur noch durchschnittlich 40 Euro für Präsente lassen – nach 59 Euro im Vorjahr. Wie stark das Internet am Umsatz traditioneller Händler knabbert, belegen auch Zahlen des Centres for Retail Research in Nottingham: In den Läden gehe das Weihnachtsgeschäft europaweit um 1,4 Prozent zurück, prognostizieren die Briten. In deutschen Geschäften sieht die Lage zwar etwas besser aus, doch auch dort gibt es keinen Grund zur Entwarnung. Für Ladenbetreiber prognostiziert das Institut bestenfalls eine Stagnation. Der weihnachtliche Onlinehandel dagegen legt nach Berechnungen von TNS Infratest um mindestens 16 Prozent zu. Am Ende könnten dort im November und Dezember – je nach Berechnungsweise – zwischen 3,6 und sechs Milliarden Euro in die Kassen wandern.

Einen Vorgeschmack auf den Online- Boom vor Weihnachten hatte in diesem Jahr bereits der Black Friday in den USA gegeben. Der Freitag nach dem Feiertag Thanksgiving, der in den USA Ende November den Beginn des Weihnachtsgeschäfts markiert, brachte den Versendern neue Rekorde – und Zuwächse im zweistelligen Prozentbereich. Manche von ihnen brachte es gleichzeitig an den Rand ihrer Kapazitäten. Bei Amazon etwa, dem größten Onlinehändler der Welt, ging im vergangenen Jahr ein Großteil der Bestellungen exakt zehn Tage vor Heiligabend ein – 1,4 Millionen Aufträge, 20 pro Sekunde. Deutschland-Chef Ralf Kleber hat in diesem Jahr vorgesorgt. Damit die Versandzentren den Ansturm bewältigen, stellte er mehr als 6000 Saisonkräfte zusätzlich ein. Auf formale Ausbildung kam es ihm nicht an, eher auf praktisches Können. Zudem ging gerade noch rechtzeitig ein neues Zentrum im westfälischen Werne in Betrieb. Pünktlichkeit ist deutschen Kunden wichtig, weiß Kleber, mehr jedenfalls als Verbrauchern anderer Länder, etwa in den USA.

Dort kletterte dafür zuletzt der durchschnittliche Bestellwert der Online-Lieferungen deutlich – von 170,19 Dollar auf 190,80 Dollar. Gerade Luxusartikel, fanden die Marktforscher der IBM-Tochter Coremetrics heraus, waren im Internet begehrt. Im Vorjahresvergleich verzeichnen die amerikanischen Juweliere eine Zunahme der Verkäufe um 17,6 Prozent.

Was die US-Forscher außerdem beobachteten: Kontaktbörsen wie Facebook gewinnen beim Internet-Kauf an Bedeutung. Der Anteil der Besucher, die direkt von einem Freundschaftsnetzwerk auf einen Onlineshop gelangten, bezifferte Coremetrics zwar lediglich mit etwa einem Prozent. Doch die Tendenz ist steigend. „Manche Anbieter lassen über die sozialen Netzwerke sogar ihre Zielgruppe abstimmen, welches Teil in die Kollektionen kommen soll“, berichtet Thomas Rasch vom Modeverband German Fashion.

Zudem zeigte die vorweihnachtliche Generalprobe in den USA: Einkaufen mit dem Smartphone setzt sich immer stärker durch. Am Black Friday, so errechnete Coremetrics, besuchten 5,6 Prozent aller Kunden einen Onlineshop per mobilem Endgerät – das sind 26,7 Prozent mehr als in der Woche davor.

Das mobile Einkaufen elektrisiert auch den deutschen Handel. Gut die Hälfte aller Onlineversender, ergab eine Umfrage von Ebay, erwarten durch die Einkäufe über internetfähige Handys neue Wachstumsmöglichkeiten für die Branche.

Kein Wunder also, dass Risikokapitalgeber wieder ordentlich Geld für Onlineshops locker machen. Anders als werbefinanzierte Internet-Start-ups bieten sie die Chance auf planbare Umsätze. Auf mehreren Feldern ist ein Wettkampf um das smarteste Geschäftsmodell entbrannt. Viele Vorbilder für deutsche Onlinehändler stammen aus den USA. Der Schuh- und Modeversender Zalando will den Erfolg des US-Vorbilds Zappos wiederholen, der für viel Geld von Amazon gekauft worden ist. Ein anderes Schlachtfeld haben die Shopping-Clubs eröffnet. Sie bieten ihren Kunden Sonderangebote und Markenherstellern einen diskreten Weg, Restposten loszuschlagen – am stationären Handel vorbei. Der Berliner Shooting-Star Citydeal, hinter dem die selben Investoren wie bei Zalando stehen, hat sich bereits vom US-Konkurrenten Groupon teuer kaufen lassen.

All dies führt derzeit in Deutschland zu einem wahren Online-Shoppingboom. Am vergangenen Samstag bildeten sich lange Schlangen vor den Packstationen der Post. Zusteller, die Berge von Paketen in den Ausgabeautomaten zu verstauen hatten, arbeiteten im Dauereinsatz.C. Schlautmann, C. Kapalschinski (HB)

C. Schlautmann, C.Kapalschinski

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