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© ddp

Opel-Belegschaft: „Yes, we can – auch ohne GM“

Die Opel-Belegschaft demonstriert Selbstbewusstsein und erhält verbale Unterstützung von der Politik.

Rüsselsheim/Bochum - Frank-Walter Steinmeier muss die Rolle als Arbeitnehmerfreund noch üben. Der dunkle Anzug mit der gestreiften Krawatte auf weißem Hemd, mit dem der Vizekanzler am Donnerstag vor der Rüsselsheimer Opel-Zentrale steht, ist einen Tick zu schick für die mehreren tausend protestierenden Mitarbeiter. Doch die Rhetorik des SPD-Kanzlerkandidaten sitzt. „Wir wissen noch nicht, wie dieser Kampf ausgeht, aber wir haben gute Karten“, ruft er dröhnend ins Mikrofon. „Ich werde jedenfalls nicht zögern, alles zu tun, was in meiner Macht steht.“ Von den rund 15 000 Mitarbeitern des Opel-Stammwerks erntet Steinmeier viel Beifall. Er steht zusammen mit IG-Metall-Chef Berthold Huber und Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz auf dem Podium. Eine Linie überschreitet er nicht. Er sagt nicht das S-Wort: Staatsbeteiligung an Opel. „Yes, we can – auch ohne GM“ steht auf den Plakaten, die die Opelaner hochhalten. Ausdrücklich warnt der Außenminister vor überzogenen Versprechungen der Politik. Um Opel retten zu können, müssten mindestens fünf europäische Staaten an einen Tisch gebracht werden.

Längst ist die Krise von Opel ein Politikum geworden. „Ich bin auch dafür kritisiert worden, dass ich heute hier stehe“, sagt Steinmeier. „Aber für mich ist es auch ein Gebot des Anstands, in dieser schwierigen Situation hier Flagge zu zeigen.“ Es ist Wahlkampfzeit – und Opel ist nun mittendrin. So ist auch Hessens SPD-Spitzenmann Thorsten Schäfer-Gümbel an den Friedrich-Lutzmann-Ring geeilt.

Berthold Huber, der angesichts der niedrigen Temperaturen erst vor seinem Auftritt die dicke Jacke auszieht, macht deutlich, was er von der Politik erwartet: „Es kann nicht sein, dass die Bundesregierung 500 Milliarden Euro an Bürgschaften und über 100 Milliarden an Kapitalspritzen für Banken zur Verfügung stellt, für den industriellen Kern, für die Basis des Wohlstands in diesem Land, aber keinen müden Cent aufbringen will“, ruft er den Opelanern zu.

Auf den Weg nach Rüsselsheim haben sich am Donnerstag auch einige Opel- Mitarbeiter aus Bochum gemacht. Im dortigen Werk arbeiten 5300 Beschäftigte. „Die Solidarität lebt, darauf bin ich stolz“, sagt Ulrike Kleinebrahm, die Bochumer IG-Metall-Chefin. Mit dem Kämpfen kennen sie sich in der Revierstadt aus. Seit Jahren müssen sie in immer kürzer werdenden Abständen auf die Straße gehen, immer geht es um die Existenz. 2004 sollte das Werk schon einmal geschlossen werden. Damals verdienten mehr als 8000 Menschen dort ihr Geld, in den Zulieferfirmen ist mindestens die gleiche Zahl beschäftigt. Die ganze Stadt machte mobil, zu der zentralen Protestkundgebung vor dem Bochumer Theater kamen 20 000 und am Ende gab die Konzernzentrale in Detroit Opel in Bochum noch ein Chance. Seither musste man zwar mehr als 3000 Arbeitsplätze abbauen, dafür erhielt man eine Garantie, dass der Standort überlebt.

„Erstens können wir kämpfen, und zweitens sind wir bisher mit allen Krisen fertig geworden“, sagt Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz. Bis jetzt geht sie davon aus, dass das Werk in Bochum überleben wird. Immerhin zählt die 1962 gegründete Fabrik zu den produktivsten in der Branche. Aber die Lage bleibt verworren: „Das Schlimmste ist die Unsicherheit“, sagt eine Demonstrantin. Das Stammwerk in Rüsselsheim, so lautet das jüngste Gerücht, könnte auf Kosten des Werks in Bochum gerettet werden. mit HB

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