zum Hauptinhalt
308854_0_8fee4f2f.jpg

© X01164

Opel: Die Strippenzieher

Die Wende im Opel-Drama kam überraschend. Nun will General Motors die Sanierung selbst versuchen – mit neuem Personal und neuen Ansprechpartnern.

Berlin - Neue Hauptdarsteller könnten dem Opel-Drama, das seit dieser Woche fortgesetzt wird, eine unerwartete Wendung geben. Der schärfere Ton, der bei General Motors (GM) angeschlagen wird, macht vor allem die Verhandlungen mit den deutschen Arbeitnehmern zur Belastungsprobe für den transatlantischen Autokonzern.

Der erwartete Rückzug von GM-Europa-Chef und Opel-Aufsichtsrat Carl-Peter Forster ist für die knapp 50 000 europäischen Opel- und Vauxhall-Mitarbeiter ein Alarmsignal. Forster, seit 2001 bei Opel, hatte die Abkoppelung der europäischen Töchter von GM und den Verkauf an Magna befürwortet. Die Kehrtwende in Detroit bezeichnete er als „nicht nachvollziehbar“. Damit war er nicht mehr haltbar. Forsters wahrscheinlicher Nachfolger wird das Europa-Geschäft wieder auf Konzernlinie bringen. Nick Reilly dürfte dabei allerdings größte Schwierigkeiten bekommen, die 25 000 deutschen Opelaner für sich zu gewinnen. Denn der Brite kennt sich zwar bei Opel aus, weil er lange in der Europa-Zentrale in Zürich gearbeitet hat. Vertraut ist ihm aber vor allem die britische Schwester Vauxhall, deren erste Sanierung er vor zehn Jahren managte. Möglicherweise bewegt ihn dies dazu, die Vauxhall-Werke in Ellesmere Port, wo der Astra gebaut wird, und Luton zu schonen. Luton droht die Schließung, wenn die Auftragsfertigung für den Transporter Renault Trafic in einigen Jahren ausläuft.

Reilly hatte an dem Standort Proteste der Belegschaft zu besänftigen versucht, indem er auf seinen Basislohn von 160 000 Pfund verzichtete und nur den Bonus kassierte. Die Belegschaft sollte so zu Zugeständnissen bewogen werden. Als eines von zwei Werken in Luton dann doch geschlossen wurde, flammten die Proteste wieder auf. Reilly steht für eiserne Kostendisziplin, die er auch bei Daewoo unter Beweis stellte, der koreanischen GM-Tochter. Insider beschreiben ihn, der als erster Brite Vizepräsident des Autokonzerns wurde, als freundlich, intelligent und professionell.

Rückendeckung dürfte Reilly vom neuen starken Mann in Detroit bekommen: GM-Verwaltungsratschef Edward E. Whitacre jr., der nach Abschluss des Insolvenzverfahrens die Aufsicht über den Autobauer übernahm. Whitacre (68) wurde von US-Präsident Obamas Berater für die Autoindustrie ausgesucht. Der Texaner gilt als Sanierer und war ein Gegner des Opel-Verkaufs an Magna. Whitacre hat als langjähriger Spitzenmanager des amerikanischen Telekommunikationskonzerns AT & T Erfahrung mit Restrukturierungen und Stellenabbau. General Motors möchte er als global aufgestellten Konzern erhalten.

Dass sich Whitacre zuletzt in operative Entscheidungen des Unternehmens eingemischt hat, schwächt die Position von GM-Chef Fritz Henderson, der als ein Verfechter des Magna-Deals gilt. „Fix-it-Fritz“ führte GM nach seiner Amtsübernahme im März erfolgreich durch die Insolvenz. Der in Detroit geborene Henderson ist ein hemdsärmelig auftretender Macher, der seit 1984 bei GM arbeitet und Erfahrung mit Opel hat. 2004 und 2005 baute er als Vorgänger Forsters das Europageschäft um – und strich 9500 Stellen. Trotzdem gilt sein Verhältnis zu Opel-Betriebsratschef Klaus Franz als konstruktiv, wenngleich der einflussreiche Arbeitnehmervertreter die unberechenbare GM-Geschäftspolitik scharf kritisiert hat. Franz, der 1975 bei Opel als Lackierer anfing, wird in den kommenden Monaten zum zentralen Verhandler, wenn es um Werksschließungen, Stellenabbau und Zugeständnissen der Belegschaften geht. Der gelernte Drogist sitzt seit 1981 im Betriebsrat, nebenher studierte er und machte 1994 sein Diplom als Sozialarbeiter. Seit 2000 ist der Schnurrbartträger im schwarzen Rolli Vorsitzender des Opel-Betriebsrats in Rüsselsheim sowie des Gesamtbetriebsrats. Franz sitzt auch dem europäischen GM-Arbeitnehmerforum vor.

Wo Franz die größte politische Unterstützung bekommt, ist zumindest auf Länderebene klar. Die Ministerpräsidenten der vier Opel-Länder Hessen, Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Rheinland-Pfalz werden sich für den Erhalt ihrer Werke einsetzen – vor allem der wahlkämpfende NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU). Bundespolitisch ist die Lage nach der Wahl im Fluss. Das Wirtschaftsministerium bleibt mit seiner Opel-Task-Force zwar Ansprechpartner für GM. Minister Rainer Brüderle (FDP) hat aber ein Glaubwürdigkeitsproblem, wenn er sich nach der überraschenden GM-Entscheidung öffentlich für die Belange der Opelaner einsetzt. In der Opposition hatte er Staatshilfe für Opel stets vehement abgelehnt. Im Februar erklärte Brüderle: „Der Staat kann Opel Hilfestellungen geben, aber er kann Opel nicht freikaufen.“ Die Sanierung müsse auf betriebswirtschaftlichem und nicht auf „staatswirtschaftlichem Wege“ stattfinden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false