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Bundespräsident Joachim Gauck spricht in Berlin bei einem Festakt zum 125-jährigen Bestehen des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall.

© dpa

Ortstermin: Klassenkampf – gut gespielt

Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall hat sein 125. Jubiläum mit einer Festansprache von Joachim Gauck gefeiert. Doch der Bundespräsident beließ es nicht bei einem Rückblick.

Ausgerechnet das Berliner Ensemble. Die Vorlage war zu schön, um nicht auf der Bühne verwertet zu werden. „Hier fällt einem das Wort Klassenkampf ein“, meinte der Bundespräsident am Freitagvormittag in dem Brecht-Haus am Schiffbauerdamm. Und was für eine Gleichzeitigkeit: 1893 wurde in dem Theater Gerhart Hauptmanns „Die Weber“ uraufgeführt, ein Stück über Maschinenstürmerei, Ausbeutung und Wertverlust der Arbeitskraft. Nur drei Jahre zuvor hatten in der Schlesischen Straße in Kreuzberg fünf regionale Metallorganisationen den „Verband Deutscher Metallindustrieller“ gegründet. Den 125. Geburtstag feierte der Verband, der heute Gesamtmetall heißt, also im Berliner Ensemble mit einem Festvortrag von Joachim Gauck.

In der ersten Reihe, neben Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles und Gesamtmetallpräsident Rainer Dulger, saß der IG-Metall-Vorsitzende Detlef Wetzel. Denn der Verband, darauf wiesen Gauck und Dulger ebenso hin wie Wetzel, ist nicht zu denken ohne den Gegner und Partner auf der anderen Seite – die Gewerkschaft. Nicht nur die IG Metall, sondern alle Gewerkschaften hatten übrigens in diesem Jahr zum 125. Mal den Tag der Arbeit am 1. Mai gefeiert. Darauf wies Gauck hin, wie er überhaupt in seinem Vortrag immer wieder auf beide Seiten einging und die so hoch gelobte „produktive Sozialpartnerschaft“ herausstellte. „Das Ringen hat Gesamtmetall mit der IG Metall verbunden“, meinte der Bundespräsident und erinnerte an das Stinnes-Legien-Abkommen aus dem Jahr 1918, mit dem sich Verband und Gewerkschaft wechselseitig als Verhandlungspartner anerkannten. Für Gauck eine „ganz große Leistung“.

Wie es sich gehört für eine Geburtstagslaudatio, blickte der Bundespräsident zurück und nach vorn. Den Tarifabschluss von Pforzheim hatten ihm die Redenschreiber ins Manuskript gesetzt, der den Flächentarifvertrag für betriebliche Abweichungen öffnete, und natürlich das Zusammenwirken von Verband und Gewerkschaft bei der Bewältigung der Finanzkrise 2009. Doch dann wandte er sich der Zukunft zu, den „dramatischen Umbrüchen in der Arbeitswelt“, die er aufgrund der Digitalisierung kommen sieht. Ein „neues Produktionszeitalter“, für das „Pioniergeist“ gebraucht werde. Und er appellierte an die Sozialpartner, die „Gemeinsamkeit fortzusetzen“ bei der Gestaltung von Industrie 4.0, und überraschte dann doch mit einer einseitigen Adressierung: „Wie sich die Arbeit verändert, dass entscheiden Sie, die Arbeitgeber.“ Mitbestimmung, das hatte der in der DDR sozialisierte Gauck zuvor erwähnt, war kein Thema im realsozialistischen Ostdeutschland gewesen – und wohl deshalb auch kein Thema in seinem Vortrag.

Das blieb Wetzel vorbehalten, der in einer launigen Plauderei mit Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer auf die Notwendigkeit von Beteiligung der Arbeitnehmer hinwies und von „Emanzipation“ sprach. Kramer wiederum warnte vor Regeln und Regulierung, die den Spielraum der Unternehmer verenge, und überhaupt vor Eingriffen in die Tarifautonomie, wie jüngst durch die Einführung des Mindestlohns, den Wetzel natürlich verteidigte: „Die Politik hat das gemacht, was wir nicht zustande gebracht haben.“ Die kleine Kabbelei auf der Bühne war gut gespielt, und am Ende war es so wie immer nach Tarifverhandlungen: Beide Seiten reichen sich die Hände.

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