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Passt in keine Schublade. Hans-Werner Sinn, Präsident des Ifo-Instituts. Foto: dapd

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ORTSTERMIN: Sinnsuche im grünen Paradoxon

Viele Sachbuchautoren wollen von Kritikern partout nicht in eine Schublade gesteckt werden. Vor allem nicht in die mit der Aufschrift „Klimawandelskeptiker“.

Viele Sachbuchautoren wollen von Kritikern partout nicht in eine Schublade gesteckt werden. Vor allem nicht in die mit der Aufschrift „Klimawandelskeptiker“. Die ist recht klein und voll mit Öl-Texanern, Kreationisten und Verschwörungstheoretikern. Dort ist es zu eng für Hans- Werner Sinn, den Präsidenten des Münchener Ifo-Instituts.

Nachdem der Ökonom am Freitag in Berlin ausführlich die komplett überarbeitete Fassung seines bereits 2008 erschienenen Buches „Das grüne Paradoxon“ vorgestellt hat, fragt ihn ein Reporter zunächst nach seiner Meinung über das erst vor zwei Wochen erschienene Buch „Die kalte Sonne“, mitverfasst vom ehemaligen Hamburger Umweltsenator und Chef der RWE-Erneuerbaren-Sparte Fritz Vahrenholt. Vahrenholt behauptet, der Klimawandel habe mit dem Menschen herzlich wenig zu tun.

„Jaa, der...“, antwortet Sinn stockend, „den kenne ich und schätze ich. Der leitet ja diesen Bereich bei Eon“. Dann dreht er sich nach rechts um zu seinem Verleger, fragt ihn: „Wie heißt der noch? Ach ja, Vahrenholt. Der ist ein absoluter Fachmann – aber eben auch kein Klimaforscher. Ich ja auch nicht. Ich bin Ökonom. Und ich kann mich auch nur darauf verlassen, was Klimaforscher in seriösen Journalen schreiben.“ Und 90 Prozent von denen seien der Auffassung, dass es den Klimawandel gibt. Ob von Menschen verursacht, lässt Sinn an dieser Stelle offen. Diskussion beendet.

Ganz absurd ist der Vergleich mit den Klimawandelskeptikern nicht, schließlich sucht auch Sinn in Eisbohrkernen aus der Arktis nach bis zu 800 000 Jahre alten Klimaspuren. Er bricht gedanklich auch Kohlenstoffmoleküle auf. Eigentlich aber präsentiert er sich eher als Skeptiker oder Kritiker der aktuellen Klimaschutzpolitik. Das ist ein Unterschied. So rät er der Bundesregierung zum Beispiel, das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG), in dem die Förderpolitik für die Technologien geregelt ist, schlicht abzuschaffen. Unterm Strich hätten Verbraucher hierzulande allein im vergangenen Jahr rund zwölf Milliarden Euro für die Förderung von Ökostrom aufgebracht. Zugleich würden hochinteressante Projekte wie der Fusionsreaktor in Greifswald gerade mal mit 200 Millionen gefördert. „Dabei waren wir Deutschen ja einmal führend auf dem Gebiet. Man denke nur an Nobelpreisträger wie Otto Hahn“, sagt Sinn. Auch das Prinzip der Dynamos in Windturbinen sei ja im Prinzip mehr als hundert Jahre alt.

Und die angeblich 300 000 Jobs, die hierzulande bei den Herstellern von Anlagen zur regenerativen Energieerzeugung entstanden sind, könne man so nicht gelten lassen. „Schließlich wird, um diese zu finanzieren, dafür allen Bürgern das Geld aus der Tasche gezogen.“ Das Geld könne man sinnvoller einsetzten – zur Erforschung der Nanotechnologien etwa.

Solche Sätze machen Sinn zum Feindbild überzeugter Ökologen. Sinn zeigt sich auch enttäuscht darüber, dass sich bisher niemand aus dem Vorstand der Grünen-Partei gefunden habe, um über die Thesen zu diskutieren. Sinn provoziert – und ist den Grünen doch manchmal näher, als diese denken. Atomkraft? Wenn es nach ihm ginge, müsste jeder AKW-Betreiber einen Investor finden, der ihn vor dem finanziellen Risiko eines Gaus absichert. Heute tut das in letzter Konsequenz der Steuerzahler. Würde man einen Meiler marktgerecht versichern müssen, wäre Atomstrom viel teurer und würde womöglich ganz allein vom Markt verschwinden.

Auch Elektrofahrzeuge hält Sinn für Unfug. Denn woher soll der Strom dafür kommen? „Ich habe zwar genug Fantasie mir vorzustellen, wie die erneuerbaren Energien in 20 Jahren die fehlenden Kernkraftwerke ersetzen können. Dass sie aber zusätzlich 25 Prozent mehr Strom produzieren, um auch Fahrzeuge zu speisen, kann ich mir nicht vorstellen“, sagt er. In Frankreich würden daher Atom-Autos fahren, in Deutschland Kohle-Autos – „ob wir wollen oder nicht“.

Ein Grundfehler der Politik sei, dass sie die Klimafragen von der Nachfrageseite her angeht. Nach dem Motto: Welche Technologien haben wir, um weniger CO2 auszustoßen? Sinnvoller aber sei es, das Thema konsequent von der Angebotsseite her zu betrachten. Also: Wie zum Beispiel kann man Scheichs und Russen dazu bewegen, weniger Kohlenstoffe in Form von Öl und Gas aus der Erde zu ziehen? Die würden wegen der grünen Agenda in Angst geraten und seit wenigstens drei Jahrzehnten permanent motiviert, möglichst schnell, möglichst viele Rohstoffe zu fördern und das Geld auf Schweizer Konten anzulegen. Grüne als Angstmacher, als ökologische Gefahr? Sinn ist jedenfalls für Überraschungen gut.

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