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Panik an den Börsen: „Eine Art Sommergewitter“

Die Meinungen der Experten schwanken wie die Aktienkurse. Mancher Analyst setzt jetzt alle Prognosen aus

Berlin – Am späten Donnerstagabend, als in Amerika die Börsen schlossen und man in Asien gerade anfing zu handeln, sah es aus, als stünde der Welt ein neuer schwarzer Freitag bevor. In New York war der Dow Jones auf den niedrigsten Stand seit Dezember 2010 gefallen, in Japan verlor der Nikkei 3,7 Prozent. Auch der Dax eröffnete tief im Minus. Nachdem die USA überraschend positive Arbeitsmarktdaten veröffentlicht hatten, erholten sich die Kurse zeitweise etwas, zwischendurch stand der Dax sogar im Plus. Aber gegen Abend lag er wieder mit 2,3 Prozent im Minus bei 6264 Punkten. Der Dow Jones schloss um 0,5 Prozent höher mit 11 444 Punkten.

So schwankend wie die Kurse sind auch die Meinungen der Experten über die tatsächliche Dramatik der Krise. Die Panik sei übertrieben, sagen die einen und verweisen etwa auf die soliden Quartalsberichte der Unternehmen. Die anderen kennen genügend Gründe, die noch heftigere Einbrüche rechtfertigen würden: So seien die Frühindikatoren für die US-Wirtschaft alles andere als ermutigend. Ob die größte Volkswirtschaft der Welt wächst oder nicht, ist eine zentrale Frage für Länder, die ihre Waren dorthin exportieren wollen, Deutschland etwa, oder China. Hinzu kommt der Schuldenberg, den die Regierung nur abbauen kann, wenn sie Steuern einnimmt.

Und dann sind da auch noch die Probleme der Euro-Zone. Die Risiken, die von Italien und Spanien ausgingen, dürften nicht unterschätzt werden, sagt etwa Jörg Rahn vom Vermögensverwalter Marcard, Stein & Co: „Angesichts der geringen Wachstumsraten wird wohl der Schuldenberg dort weiter steigen, und es scheint schwer kalkulierbar, wann sie wieder auf einen grünen Zweig kommen.“ Die Renditen für Staatsanleihen aus Spanien und Italien sanken am Freitag zwar wieder leicht. Das muss aber nicht bedeuten, dass die Anleger den Ländern wieder vertrauen. Vielmehr setzen sie darauf, dass die EZB die Anleihen kaufen wird.

Uneinig sind sich die Experten auch bei der Frage, ob der Tiefpunkt an den Börsen schon erreicht wurde. „Ich habe alle meine Prognosen ausgesetzt“, resigniert der Chefvolkswirt der Bremer Landesbank, Folker Hellmeyer. Anders sieht es sein Kollege Hans-Jörg Naumer, Kapitalmarktanalyst bei Allianz Global Investors. Er glaubt an eine baldige Erholung: „Es scheint eine Art Sommergewitter zu sein, und wir können immer noch auf stabileres Börsenwetter im Spätsommer hoffen.“ Noch optimistischer ist Heino Ruland von Ruland Research: „Wenn sich die Stimmungsindikatoren der Einkaufsmanager aus dem verarbeitenden und dem nicht-verarbeitenden US-Gewerbe über der wichtigen Marke von 50 Punkten halten, beginnt bereits im August die Jahresendrally“, glaubt er. Und selbst wenn die Wirtschaft schrumpfe, hätten die Investoren dies eingepreist.

„Die massiven Kurseinbrüche erinnern stark an ein typisches Herdenverhalten, das ist immer das Signal einer massiven Übertreibung“, sagt Naumer. Nicht zuletzt spielen auch Computer eine Rolle: Viele Investoren haben ihre Entscheidungen automatisiert. Anstelle von Menschen kaufen und verkaufen Computer die Aktien anhand von vorher definierten Regeln. Ihnen ist es egal, ob ein Politiker beruhigende Worte spricht oder nicht – sie kennen nur Zahlen. Die Regel „Verkaufe bei Kurssturz“ist häufig programmiert. So verstärken sich die Computer gegenseitig.mit rtr

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