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Wirtschaft: „Pate“ für ein paar Stunden

Videospiel-Hersteller entdecken den Gangster-Film und Hollywood durchstöbert seine Archive

Von Nick Wingfield und Merissa Marr Freunde von Videospielen sind daran gewöhnt, in die Haut ihres Filmhelden zu schlüpfen – von Harry Potter bis Spiderman. Doch bald kommen Spiele auf den Markt, die den Spieler in die Welt von Sonny Corleone, Tony Montana und Dirty Harry versetzen. Nachdem schon seit Jahren Kassenschlager wie jüngst „Der Herr der Ringe“ als Videospiele herauskommen, greift die Spieleindustrie jetzt tiefer in die Filmarchive, um Gangsterfilme zur interaktiven Unterhaltung zu machen.

Im November wird Electronic Arts „Der Pate“ auf den Markt bringen, ein Spiel, das auf dem Gangsterepos von Francis Ford Coppola aus dem Jahr 1972 basiert. Die Hauptdarsteller des Films, unter ihnen Robert Divall, James Caan und Marlon Brando, verleihen dem Spiel ihre Stimmen und ihr Äußeres. Vivendi Universal Games arbeitet an einem Spiel, das auf „Scarface“ basiert, dem Film über den Drogenbaron Tony Montana. Auch „Dirty Harry“, der von Clint Eastwood gespielte Inspektor Callahan, lebt in einem Spiel der Warner Brothers Interactive als interaktive Figur wieder auf. TakeTwo Interaktive Software entwickelt eine Videospiel-Version von „The Warriors“, dem Kultfilm von 1979 über einen New Yorker Bandenkrieg.

Wem das noch nicht reicht: Majesco Entertainment plant, „Taxi-Driver“, den Psychokrimi von 1976, in dem Robert De Niro als Taxifahrer gewaltsam die Straßen New Yorks vom „Abschaum“ säubert, als Spiel herauszubringen.

Dieser Trend ist ein weiteres Zeichen, dass die Spieleindustrie zu einer Massenunterhaltung reift, mit einem Umsatz von ungerechnet rund 5,6 Milliarden Euro im vergangenen Jahr alleine in den USA. Der Durchschnittsspieler ist jetzt 30 Jahre alt – weit entfernt ist die Zeit, in der die Branche fast ausschließlich von Teenagern lebte, die „Donkey Kong“ spielten.

Im vergangenen Jahr waren 16 Prozent der verkauften interaktiven Spiele erst ab 17 Jahren freigegeben – im Jahr zuvor waren es nur zwölf Prozent. Der sich ändernde Geschmack der Spieler verändert auch die Zusammenarbeit zwischen Filmindustrie und Herstellern interaktiver Spiele. Dan Kitchen, der die Entwicklungsabteilung bei Majesco unter sich hat, sagt: „In den 80er Jahren hätte ich einfach keine Spiele wie ‚Scarface’ verkaufen können. Ich denke, die Spieler sind jetzt erst bereit.“

Auch Hollywood ist bereit. Schon in den 90er Jahren, während des DVD-Booms, haben die Studios gelernt, ihre Archive zu nutzen. Jetzt suchen sie nach Filmen, die sich als Vorlage für Videospiele eignen könnten. Paramount Pictures hat diese neue Phase mit eingeleitet. Vor zwei Jahren – nach langem Drängen des weltweit größten Games-Hersteller Electronic Arts – verkaufte man diesem das Recht, „Der Pate“ als Videospiel herauszubringen. Doch nicht alle, die an dem Film mitgewirkt hatten, waren von dem Projekt begeistert. So lehnte Regisseur Coppola nach kurzer Zeit eine weitere Mitwirkung an dem Videospiel ab. Das Aussehen der Filmcharaktere dürfen die Spielehersteller nicht ohne Zustimmung des Schauspielers kopieren. Al Pacino hat für „Scarface“ seine Zustimmung erteilt, „Der Pate“ allerdings muss bislang ohne ihn auskommen. Für die Spielehersteller ist das Interesse an älteren Filmen in erster Linie finanzieller Natur: Die Rechte kosten hier zwischen 150000 und 400000 US-Dollar – bei neuen Filmen muss man dagegen eine Million US-Dollar und mehr hinlegen. Ein Nachteil ist jedoch: Bei Spielen, die auf alten Filmen basieren, kann man sich nicht an die Werbekampagne von Hollywood dranhängen.

Doch nicht alle Filme eignen sich als Vorlage für Videospiele. Vor drei Jahren untersuchte Glenn Entis von Electronic Arts eine Reihe von Streifen auf ihre Verben, nach denen bei Electronic Arts die Handlung auf ihre Tauglichkeit für Videospiele getestet wird. „My Dinner with Andre“, ein Film über ein Gespräch zweier Männer während eines gemeinsamen Abendessens, bestand fast nur aus „reden“ und „zuhören“ und fiel durch. „Der Pate“ dagegen sammelte mit „kämpfen“, „schießen“, „erkunden“ und „Ehre erwerben“ viele Punkte.

Diese Untersuchung habe ihm gezeigt, dass es für Spielehersteller eine wahre Goldgrube an Filmmaterial gebe, sagt Entis. „Aber dieses Gold muss aus vielen großen Felsbrocken herausgesiebt werden.“

Übersetzt und gekürzt von Karen Wientgen (Chinas Börsen), Svenja Weidenfeld (Videospiele), Matthias Petermann (EU), Christian Frobenius (Kaschmir) und Tina Specht (Singapur).

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