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Viele Menschen sind nicht darauf vorbereitet, krank zu werden. Dabei lässt sich Vorsorge treffen.

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Patientenverfügung und Betreuungsrecht: Der Plan für den Notfall

Um Patientenverfügung und Betreuungsrecht ranken sich viele Irrtümer. Lesen Sie hier, wie Sie für den Fall, nicht mehr alleine entscheiden zu können, richtig vorsorgen

Es sind Fragen, die sich die meisten nicht oder erst zu spät stellen. Was passiert mit mir, wenn ich selbst wichtige Entscheidungen nicht mehr treffen kann? Wer bestimmt über lebenserhaltende Maßnahmen, mein Vermögen, meine Verpflichtungen? Gerade weil sich keiner gerne damit auseinandersetzt, ranken um Patientenverfügung und Betreuungsrecht etliche Irrtümer. Der wohl wichtigste: Die meisten Menschen gehen davon aus, dass im Notfall ihre engsten Familienangehörigen an ihrer Stelle entscheiden dürfen. Laut einer aktuellen Umfrage des Forschungsinstituts Forsa sind 65 Prozent der Befragten dieser Ansicht.

Weder der Ehepartner noch erwachsene Kinder sind automatisch entscheidungsbefugt

Dabei sieht die Rechtslage anders aus, wie Sonja Hecker, Geschäftsführerin der Deutschen Vereinigung für Vorsorge- und Betreuungsrecht (DVVB), erklärt: „Weder der Ehepartner noch erwachsene Kinder sind automatisch entscheidungsbefugt. Sie können nur dann medizinische oder finanzielle Angelegenheiten für einen Angehörigen regeln, wenn dieser das entsprechend verfügt hat.“ Fehlt die schriftliche Erklärung, kommt es zu einem gerichtlichen Betreuungsverfahren. Auch dann ist unsicher, ob ein Familienmitglied als Vertreter eingesetzt wird. „Oft zieht das Gericht einen Berufsbetreuer vor“, sagt Anwältin Hecker. „Kommen zum Beispiel mehrere Geschwister infrage und befürchtet der Richter Streit, wenn einer oder alle gemeinsam zu entscheiden hätten, setzt er lieber einen Fremden ein.“

Der Betreuer hat Zugriff auf Bankkonten und Depots

Der Betreuer hat weitreichende Kompetenzen. Er klärt in der Regel nicht nur medizinische Fragen, sondern auch finanzielle und rechtsgeschäftliche. Er hat Zugriff auf Bankkonten und Depots, kann Vermögen veräußern, Verträge kündigen und vieles mehr. Nur einige Entscheidungen, etwa der Verkauf des Eigenheims, müssen gerichtlich genehmigt werden. Mandanten, die einen ihrer Erben bevollmächtigen, aber Streit vorbeugen wollen, rät Rechtsexpertin Sonja Hecker häufig, einen Kontrollbetreuer zu benennen. „Idealerweise ist das eine neutrale Vertrauensperson, die in der Familie bekannt und von ihr akzeptiert ist. Sie kann sich im Konfliktfall einschalten.“ Setzt das Gericht den Kontrollbetreuer ein, kann er vom Bevollmächtigten Auskünfte verlangen und notfalls sogar dessen Vollmacht widerrufen.

Wer noch nicht vorgesorgt hat, sollte sich Zeit nehmen, um wichtige Fragen zu klären

Wer noch nicht für den medizinischen Ernstfall vorgesorgt hat, sollte vor allem eins tun: Sich Zeit nehmen, um persönliche Fragen in Zusammenhang mit Krankheit, Schmerzen und Tod zu beantworten. Etwa die, in welchen Krankheitsfällen oder -stadien bestimmte lebenserhaltende Maßnahmen nicht mehr erwünscht sind. Im Internet kursieren zahlreiche Vorlagen. Nach dem Patientenverfügungsgesetz, das seit 2009 gilt, genügen zwar Schriftform und eigenhändige Unterschrift. Trotzdem ist es ein Irrtum zu glauben, dass man nur den Vordruck ausfüllen müsste. Denn oft sind die Muster zu unpräzise. Das kann im Ernstfall dazu führen, dass Ärzte nicht an die Verfügung gebunden sind, weil unklar bleibt, was der Betreffende in der konkreten Krankheitssituation gewollt hätte.

Oft sind die Angaben in Patientenverfügung und Organspendeausweis widersprüchlich

Beispiel: Die pauschale Ablehnung „künstlicher Ernährung“ bei „tödlicher Krankheit“ greift zu kurz. Denn es ist unklar, ob dies allein im Sterbeprozess oder etwa auch bei einer fortgeschrittenen Demenz, wenn der Patient nicht mehr selbstständig schlucken kann, gelten soll. Wichtig ist auch, Widersprüche zwischen Patientenverfügung und Organspendeausweis zu vermeiden. Wer laut Ausweis bereit ist zu spenden, aber in der Patientenverfügung lebensverlängernde, intensivmedizinische Maßnahmen ablehnt, verhindert unter Umständen die Organentnahme. Denn für eine Spende müssen nach dem Hirntod die Lebensfunktionen zunächst aufrechterhalten werden. Bei widersprüchlichen Willensäußerungen muss in der Regel der Betreuer entscheiden. Soll laut Organspendeausweis eine Vertrauensperson entscheiden, steht sie in der Pflicht. Für Familienangehörige ist das oft eine enorme Belastung. Die Organspende sollte deshalb in der Patientenverfügung mitgeregelt werden.

Die Ärzte müssen rechtzeitig von der Patientenverfügung erfahren

Auch die beste Patientenverfügung nutzt nichts, wenn die Ärzte nicht rechtzeitig von ihr erfahren. Idealerweise kennt ein naher Angehöriger das Dokument und kann es vorlegen. Eine eigene Entscheidungsbefugnis kann ihnen aber nur eine Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung geben. Die Vorsorgevollmacht benennt einen rechtsgeschäftlichen Vertreter und legt fest, in welchen finanziellen und rechtlichen Angelegenheiten er entscheiden darf. Für Bankgeschäfte ist es sinnvoll, zusätzlich die Konto- oder Depotvollmacht der jeweiligen Bank auszufüllen. Wünsche wie die Unterbringung in einem bestimmten Pflegeheim oder eine Fortführung monatlicher Zahlungen an die Enkel können in einem separaten Auftrag an den Bevollmächtigten festgehalten werden. Dieser sollte, genauso wie die Vollmacht selbst, idealerweise von Vollmachtgeber und vom Bevollmächtigten unterschrieben werden.

Eine Betreuungsverfügung kann eine Ergänzung zur Vorsorgevollmacht sein

Alternativ oder als Ergänzung zur Vorsorgevollmacht kann eine Betreuungsverfügung verfasst werden. Darin wird festgelegt, wer vom Gericht als Betreuer eingesetzt werden soll, falls eine rechtliche Betreuung nötig wird. Dies ist etwa der Fall, wenn die Vorsorgevollmacht nicht ausreicht, um alle notwendigen Entscheidungen zu treffen. Auch mit einer Betreuungsverfügung können Wünsche oder konkrete Anweisungen verbunden werden. Gericht und Betreuer müssen auch diese Willensäußerungen beachten.

Eva Buscher

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