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Auszeit. Viele orientieren sich an den Kollegen: Nur wenn die sich eine Pause gönnen, lassen auch sie die Arbeit ruhen.

© IMAGO

Pausenlos im Einsatz: Viele Beschäftigte verzichten auf Ruhezeiten

Weil ihr Job so stressig ist, machen die Deutschen bei der Arbeit wenige oder gar keine Pausen mehr.

Von Carla Neuhaus

„Ich habe zu viel zu tun“, sagen sie und lassen ihre Mittagspause sausen. Statt in die Kantine zu gehen oder kurz frische Luft zu schnappen, verbringen viele Deutsche die Mittagszeit am Schreibtisch und arbeiten durch. Jeder fünfte Arbeitnehmer schöpft die Pausenzeiten, die ihm zustehen, nicht aus. Zehn Prozent gönnen sich nur selten oder nie eine Pause. Das zeigt eine repräsentative Umfrage von TNS Infratest, die die Gewerkschaft Verdi am Montag in Berlin vorgestellt hat. Demnach ist es vor allem der volle Schreibtisch, der Menschen davon abhält, Pausen einzulegen. 55 Prozent klagen über zu viel Arbeit. 35 Prozent quält das schlechte Gewissen, dass die Kollegen für sie einspringen müssen, wenn sie sich eine halbe Stunde Ruhe gönnen. „Der Arbeitsalltag ist heute geprägt von Leistungsdruck, Hetze und Stress“, sagt Verdi-Chef Frank Bsirske.

Obwohl Arbeitnehmer ein Recht auf Pausen haben, nehmen viele es nicht in Anspruch. Für bedenklich hält Bsirske vor allem, dass 15 Prozent der Mitarbeiter ihre Pausenzeiten freiwillig verkürzen, weil der Arbeitgeber es nicht gerne sieht, wenn sie sie voll ausschöpfen. Auch sonst spielt das Arbeitsklima eine wichtige Rolle. So verzichtet ein Großteil der Arbeitnehmer auf seine Pausen, weil das die Kollegen auch machen.

Die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter sinkt

Gut tut das weder den Mitarbeitern noch dem Unternehmen. Pausen seien im betrieblichen Interesse, sagt Norbert Breutmann von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. „Wir wollen die volle Leistungsfähigkeit unserer Mitarbeiter erhalten.“ Und wer häufig Überstunden macht und auf Pausen verzichtet, leidet schneller unter „allgemeiner Müdigkeit, Schlafstörungen, Nervosität, körperlicher und emotionaler Erschöpfung“, heißt es im Stressreport der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.

Das Fatale: Häufig sind es gerade diejenigen, die eh schon zu viel arbeiten, die auf Pausen verzichten. Unter denen, die mehr als 40 Stunden die Woche arbeiten, schenken sich 31 Prozent die Pause. Unter denen, die mehr als 48 Stunden die Woche arbeiten, macht fast die Hälfte durch. Geschützt vor dieser Selbstausbeutung sind lediglich diejenigen, die im Schichtdienst eingeteilt sind – ihnen werden die Pausen vorgeschrieben.

In den siebziger Jahren gab es "Bildschirm-Pausen"

Die Zahlen zeigen, wie sehr sich das Arbeitsleben verändert. Verzichten Arbeitnehmer heute freiwillig auf Pausen, wurde die Möglichkeit, die Arbeit unterbrechen zu dürfen, noch Mitte der neunziger Jahre als Errungenschaft gefeiert. Denn festgeschrieben hat der Gesetzgeber das Recht auf Pausenzeiten erst 1994. Davor waren die Deutschen auf Klauseln im Tarifvertrag angewiesen, um die Arbeit für kurze Zeit ruhen zu lassen. „Ein Recht auf Pausen zu haben, ist nicht selbstverständlich“, sagt deshalb Verdi- Chef Bsirske.

Ein Vorläufer des heutigen Arbeitszeitgesetzes war zum Beispiel die Bildschirmpause, die Ende der siebziger Jahre tarifvertraglich festgelegt wurde und Mitarbeitern bezahlte Pausen gewährte, wenn sie mehr als vier Stunden am Tag am Computer saßen. Ebenfalls in die Geschichte eingegangen ist die Steinkühler-Pause: Benannt nach dem damaligen Verhandlungsführer der IG-Metall, verschaffte sie den Akkordarbeitern in der baden-württembergischen Metallindustrie eine bezahlte Pause von fünf Minuten je Arbeitsstunde.

Manche spielen lieber Computer als in die Kantine zu gehen

Um das Recht auf Pause muss heute kaum noch jemand kämpfen. Stattdessen dreht sich die Diskussion darum, ob und wie Angestellte ihre Auszeiten nutzen. Denn häufig können sich Mitarbeiter auch dann nicht vom Bildschirm loseisen, wenn sie Pause machen: Statt an die frische Luft zu gehen, spielen sie Computerspiele oder vertrödeln Zeit auf Facebook – Erholung bringt das allerdings wenig, sagen Wissenschaftler. Helfen könne es, wenn die Unternehmen freundliche Pausenräume bereitstellen, heißt es bei Verdi. So geben 21 Prozent der Befragten gegenüber der Gewerkschaft an, das Klima in der Firma oder die Räumlichkeiten seien „pausenfeindlich“. In seinem eigenen Haus, sagt Verdi-Chef Bsirske, gebe es solche Probleme allerdings nicht. Dafür sei die Kantine mittags zu voll.

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