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Pharmaindustrie: Bieterstreit um Schering beendet

Der Übernahmekampf um das traditionsreiche Berliner Pharmaunternehmen Schering ist entschieden. Wenige Stunden vor Ablauf der Annahmefrist des Kaufangebotes von Bayer lenkte die Darmstädter Merck-Gruppe ein.

Berlin/Leverkusen - Merck bot dem Leverkusener Chemie- und Pharmariesen sein Schering-Aktienpaket in Höhe von knapp 22 Prozent zum Kauf an. Damit dürfte der von Bayer angestrebten 75-Prozent-Mehrheit nichts im Wege stehen.

Im Schering-Vorstand, bei den Mitarbeitern und im Berliner Senat wurde die Nachricht mit Erleichterung aufgenommen. Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei) kritisierte Merck für sein Verhalten scharf. Die Südhessen verdienen bei dem Geschäft 400 Millionen Euro.

Vorstandschef Hubertus Erlen sieht nun für das Schering-Geschäft wieder gute Perspektiven. «Ich bin erleichtert, dass es zu dieser Einigung kommt», sagte Erlen am Mittwoch in Berlin. Sie liege «ganz klar im Interesse» der Mitarbeiter und der vielen anderen Aktionäre.

"Sehr gutes Signal"

Wenn Bayer nun tatsächlich 75 Prozent der Anteile erhalte, dann sei der Weg frei für ein starkes, globales Spezialpharmaunternehmen mit Sitz in Berlin. «Da wird etwas sehr Sinnvolles entstehen.» Dass die Phase der Unsicherheit nun nicht verlängert werde, sei «ein sehr gutes Signal», vor allem für die Mitarbeiter von Schering.

Alle Aktionäre erhalten statt 86 jetzt 89 Euro je Aktie - auch jene, die Bayer ihre Aktien innerhalb des öffentlichen Kaufangebots anbieten. Die Annahmefrist endete am Mittwoch um 24 Uhr. Merck hatte zuvor mit massiven Aktienzukäufen die Übernahme zu torpedieren versucht.

Wirtschaftssenator Wolf sagte: «Es ist gut, dass sich letzten Endes die Vernunft und das bessere unternehmerische Konzept durchgesetzt haben.» Zu kritisieren bleibe, dass Merck, «ein unerwünschter Partner», die Übernahme verteuert habe «und nun 400 Millionen Spekulationsgewinn einstreicht». «Damit hat sich Merck nicht wie ein nachhaltig wirtschaftendes Unternehmen, sondern wie ein Hedgefonds verhalten, der einzig und allein auf schnellen und maximalen Spekulationsgewinn ausgerichtet ist.»

Sorgen bei Belegschaft

Wolf teile die Sorge der Belegschaften, «dass dies auf Kosten von Arbeitsplätzen bei beiden Unternehmen geht» und appellierte an Bayer, im Zuge der Fusion keine Entlassungen vorzunehmen. Der Schering- Betriebsratsvorsitzende Norbert Deutschmann sagte: «Ich gehe davon aus, dass die Übernahme jetzt klappt und Schering nicht mehr zerschlagen wird.» Wegen der gestiegenen Finanzierungskosten habe der Betriebsrat «die Sorge, dass jetzt der Druck in Richtung Abbau von Arbeitsplätzen größer wird».

Die Industrie- und Handelskammer Berlin begrüßte das Einlenken Mercks. «Für den Wirtschaftsstandort Berlin ist das eine sehr gute Entscheidung», sagte IHK-Präsident Eric Schweitzer. «Berlin kann damit zur Pharma-Hauptstadt werden.»

Größte Übernahme der Firmengeschichte

Zuletzt hatte Bayer insgesamt 55 Prozent des Schering-Kapitals auf seine Seite gezogen. Einschließlich des Merck-Pakets ist die Mindestquote von 75 Prozent bereits übertroffen worden. Genaue Angaben darüber wird Bayer einige Tage nach Ablauf der Angebotsfrist bekannt geben. Die gesamte Transaktion wird den ursprünglichen Wert der Übernahme von 16,5 Milliarden Euro um mehrere 100 Millionen Euro übertreffen. Der Erwerb ist die größte Übernahme in der Firmengeschichte von Bayer.

Bayer-Chef Werner Wenning zeigte sich erfreut über die erzielte Lösung: «Ein langfristiger Bieterwettbewerb hätte die Zukunft von Schering stark beeinflusst», erklärte er. Von diesem Schritt würden zudem alle drei beteiligten Unternehmen profitieren.

Merck-Chef Michael Römer verteidigte die Aktienkäufe im großen Stil: «Kurze Spekulationsgewinne waren nie unser Ziel und sind wahrlich kein Handlungsgrund für ein Unternehmen, das in Generationen denkt.» Es sei aber geradezu eine Verpflichtung gewesen, die Option zur Sicherung der eigenen Position bis zum Schluss zu verfolgen. (tso/dpa)

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