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Umstrittene Technologie. Hier das Atomkraftwerk Biblis in Hessen. Polen plant nun ein AKW.

© dpa

450 Kilometer von Berlin entfernt: Polen plant Atomkraftwerk bei Danzig

Der Ministerrat in Warschau hat nach Medienberichten das „Nationale Kernenergieprogramm“ verabschiedet, das den Bau des ersten polnischen Kernkraftwerkes bis zum Jahr 2024 nahe der Stadt Danzig vorsieht. Der Standort Zarnowiec liegt an der Ostsee. Kritik kommt auch aus Brandenburg.

Brandenburg und Berlin werden durch nun konkrete Pläne der Republik Polen für den Bau von Atomkraftwerken (AKW) einige Hundert Kilometer hinter der Grenze aufgeschreckt. Der Ministerrat in Warschau hat nach Medienberichten jetzt das „Nationale Kernenergieprogramm“ verabschiedet, das den Bau des ersten polnischen Kernkraftwerkes bis zum Jahr 2024 nahe der Stadt Danzig vorsieht. Der Standort Zarnowiec an der Ostsee liegt 450 Kilometer von Berlin entfernt. In Zarnowiec war 1982 schon einmal mit dem Bau eines AKW begonnen worden, was aber nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl gestoppt wurde. Während die Bundesregierung zurückhaltend reagierte, das weitere Verfahren in Polen abwarten will, äußerte sich Brandenburgs Umweltministerin Anita Tack (Linke) offen besorgt.

Ministerpräsident Woidke wird neuer Polenbeauftragter

Zu erwarten ist, dass sich Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) in seiner neuen Funktion mit dem Problem befassen wird. Er soll kommende Woche zum Polenbeauftragten der Bundesregierung ernannt werden. „Von einem Kernkraftwerk in Polen wird immer auch eine potenzielle Gefährdung für die Brandenburger Bevölkerung ausgehen, unabhängig vom konkreten Standort der Anlage“, sagte Tack. Sie verwies auf die generellen Risiken mit der Kernkraft, aber auch auf die ungelösten Endlagerungsprobleme.

Solche Bedenken, die im Rahmen der grenzüberschreitenden strategischen Umweltprüfung (SUP) für das AKW-Programm vom Potsdamer Umweltministerium, verschiedenen Bundesländern und 30 000 Bürgern aus Deutschland vorgebracht wurden, hält Polen offenkundig für unbegründet. Überraschend sind die Entscheidungen nicht. Entwürfe des polnischen Kernenergieprogramms und erste Standortvarianten hatten in Brandenburg und Berlin seit 2010 wiederholt Ängste ausgelöst. Zunächst hatte Polen ein AKW in Gryfino nahe von Schwedt direkt an der Grenze erwogen, was aber nach Protesten verworfen wurde. Der Standort Zarnowiec, der schon länger als Favorit Polens galt, liegt tiefer im Landesinneren. Brandenburgs Landtag hat sich mehrheitlich gegen Polens AKW-Pläne ausgesprochen. Am Mittwoch erinnerte Mike Bischoff, Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, daran, dass in der Uckermark eine Initiative bereits 20 000 Unterschriften gegen ein AKW in Zarnowiec gesammelt und an die Botschaft Polens übergeben hatte. „Der Bau von Atomkraftwerken wäre ein Schritt in die falsche Richtung“, erklärte Bischoff. „Brandenburg hätte dann eine gefährliche Technologie in der Nähe, das gibt Anlass zur Sorge.“ Nukleare Strahlung mache vor staatlichen Grenzen nicht halt. Das von SPD-Ministerin Barbara Hendricks geführte Bundesumweltministerium verfolgt die Entwicklungen in Polen aufmerksam, hält sich aber zurück. „Wir sind zum Fortgang der grenzüberschreitenden Strategischen Umweltprüfung in Kontakt mit den zuständigen polnischen Behörden“, erklärte ein Sprecher auf Anfrage. Zunächst bleibe „ abzuwarten, wie Polen den weiteren Verfahrensverlauf gestalten will“. Das Bundesumweltministerium verwies auf die Stellungnahme der Bundesregierung aus dem Jahr 2012 zu Polens Kernenergieprogramm. Darin hieß es: „Die freie Wahl des jeweiligen Nationalen Energiemixes mit oder ohne Kernkraft ist souveränes Recht eines jeden Staates.“ Allerdings wurde auf den Atomausstieg in Deutschland bis zum Jahr 2022 als Konsequenz aus Fukushima und den Ausbau erneuerbarer Energien hierzulande verwiesen. Polen wurde dazu ein Erfahrungsaustausch angeboten, auch „um Alternativen zur Kernenergie“ ausloten zu können. Polen dagegen sieht sich im Einklang mit EU–Staaten wie Frankreich, die ebenfalls neue AKW planen und verspricht sich eine Senkung der klimaschädlichen Kohlendioxidemissionen.

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