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Wirtschaft: Polizei im Funkloch

Die Einführung moderner Kommunikationstechnik kommt nicht voran, weil den Ländern das Geld fehlt

Berlin (vis) . Die deutsche Polizei sieht ihre Einsatzfähigkeit – vor allem bei Großeinsätzen – in Gefahr. „Kommunikation und Information sind das Wesentliche bei unserer Arbeit“, sagt Konrad Freiberg, der Chef der Polizeigewerkschaft GdP. Doch die marode analoge Funktechnik der Polizei sei dabei eher ein Hindernis als ein Hilfsmittel. Sie ist weder abhörsicher noch arbeitet sie zuverlässig. „Sogar Moldavien hat Digitalfunk, nur die deutsche Polizei nicht“, sagt Freiberg. Das sei skandalös. Aber nicht nur die Polizei wartet darauf, dass der Netzaufbau endlich beginnt: Die Industrie steht schon seit Jahren in den Startlöchern. Was fehlt, ist der Auftrag. Der muss von den Bundesländern kommen, doch die haben kein Geld.

Dabei sollte Deutschland spätestens zur Fußballweltmeisterschaft 2006 bundesweit ein einheitliches digitales Funknetz bekommen – und zwar nicht nur für die Polizei. Auch Rettungskräfte, Feuerwehren und andere „Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben“, wie es im Beamtendeutsch heißt, sollten an das Netz angeschlossen werden. Bisher funken alle auf einer anderen Welle. Der grundsätzliche Beschluss, ein modernes System einzuführen, fiel bereits im November 2000. Der verantwortliche Bundesinnenminister Otto Schily nennt die Einführung des Digitalfunks eine „sicherheitspolitische Notwendigkeit“. Sie ist aber offenbar finanzpolitisch nicht zu stemmen.

Dabei ist die veranschlagte Summe für den bundesweiten Aufbau und den Betrieb des Systems über zehn Jahre bereits deutlich geschrumpft: Waren einmal fünf Milliarden bis sieben Milliarden Euro im Gespräch, so ist inzwischen nur noch von drei Milliarden bis vier Milliarden Euro die Rede. Und natürlich von einem deutlich reduzierten Anforderungsprofil. Wie teuer es wirklich wird, ist noch offen. Denn es gibt noch immer keine Ausschreibung. In der vergangenen Woche trafen sich die Staatssekretäre der Länder im Bundesinnenministerium. Sie beschlossen immerhin, dass die Ausschreibung noch im Frühjar 2004 kommen soll. Das übernimmt der Bundesinnenminister.

Doch die Polizei ist Sache der Länder, und die wollen für das neue Funknetz finanzielle Unterstützung vom Bund. Der ist wohl bereit, zehn Prozent der Summe beizusteuern. Doch manche Länder verlangen eine Beteiligung von 20, andere sogar von 50 Prozent.

Nach Informationen des Tagesspiegels ist auf dem Treffen der Staatssekretäre eine weitere Entscheidung gefallen: Die neuen Bundesländer werden nicht mitmachen – sie haben kein Geld. Zudem sind die Funknetze dort noch relativ neu. Bereits Ende Juli hatte Schily von einer „flexiblen Einführungsstrategie“ gesprochen. Und davon, dass es eine Startergruppe von Ländern geben wird. Ziel sei es, die WMAustragungsorte vorrangig mit digitaler Funktechnik auszustatten.

Die Insellösungen können aus Sicht der Polizei natürlich nur die zweitbeste Lösung sein. „Sie erschwert die Kommunikation bei Großeinsätzen oder macht sie sogar unmöglich“, sagt Gewerkschaftschef Freiberg. Doch selbst wenn die Ausschreibung tatsächlich Anfang 2004 kommt: Für den Aufbau eines bundesweiten Digitalfunks reicht die Zeit bis 2006 nicht aus, sagen Experten. Axel Birkholz, Leiter des Polizeifunkprojekts bei der Telekomtochter T-Systems, sagt: „Wir sehen drei Jahre als Realisierungszeit für ein flächendeckendes Netz an.“

Neben T-Systems haben auch andere Unternehmen ein großes Interesse daran, dass Bund und Länder endlich in die Gänge kommen. Dazu gehören Siemens, Motorola, EADS Telecom und Vodafone. Der Mobilfunkbetreiber Vodafone hat das bisher kostengünstigste Angebot gemacht und ist überzeugt, auch am schnellsten sein zu können. Vodafone will den digitalen Polizeifunk nämlich auf Basis der GSM-Technik betreiben. Mit dieser Technik laufen auch die bestehenden Mobilfunknetze für die private Nutzung. Weil Vodafone dazu die schon vorhandenen Standorte nutzen kann, glaubt das Unternehmen, schneller und kostengünstiger als andere Anbieter zu sein. 2,3 Milliarden Euro veranschlagt Vodafone. Drei Milliarden bis 3,8 Milliarden Euro sollen die Konkurrenzsysteme kosten. Doch ohne Ausschreibung stehen die Preise natürlich noch nicht fest.

Derweil steigen die Kosten für den Betrieb des maroden veralteten Systems. Ohne die Einführung des Digitalfunks werde es viel teurer, sagte Innenminister Schily bei den Haushaltsberatungen im März, „weil der Analogfunk überholt ist. Die Kosten für den Analogfunk werden in Zukunft auch noch erheblich steigen.“ Denn außer der Polizei fragt keiner mehr die veraltete Technik und die historischen Geräte nach. „Wir wären also nicht nur unter technischen Gesichtspunkten schlecht beraten, wenn wir diese Dinge nicht voranbringen würden“, fügte Schily hinzu. Dennoch sind – auch in den alten Ländern – immer noch nicht überall die entsprechenden Mittel in die Haushalte eingestellt.

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