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Wirtschaft: Porsche und Piëch bestimmen in Wolfsburg

Der Europäische Gerichtshof kippt vermutlich das VW-Gesetz und die Stimmrechtsbeschränkung / Piëch bleibt Aufsichtsratschef

Luxemburg / Berlin - Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wird das VW-Gesetz aus dem Jahr 1960 vermutlich kippen. Nach Ansicht des Generalanwalts des EuGH verschafft das Gesetz der öffentlichen Hand eine so starke Stellung im Konzern, dass private Investoren abgeschreckt werden. In seinem Schlussantrag im Verfahren zum VW-Gesetz empfiehlt Generalanwalt Damaso Ruiz-Jarabo deshalb dem Gerichtshof, den Argumenten der EU-Kommission zu folgen. Porsche, mit 27,4 Prozent größter VW-Aktionär, begrüßte den Antrag des Generalanwalts, dem das Gericht wahrscheinlich folgt. Am Abend wurde dann noch bekannt, dass Porsche-Miteigentümer Ferdinand Piëch weiterhin Vorsitzender des VW-Aufsichtsrats bleiben soll. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff hatte den 69-jährigen Piëch eigentlich aus dem Aufsichtsrat verdrängen wollen. Nun muss sich der Politiker den veränderten Machtverhältnissen mit Porsche als Großaktionär beugen.

Vor allem drei Punkte des VW-Gesetzes verstoßen nach Ansicht des Generalanwalts gegen EU-Regeln: das Recht der Bundesregierung und des Landes Niedersachsen, jeweils zwei Vertreter in den Aufsichtsrat zu entsenden, sofern sie VW-Aktien besitzen. Allein diese gesetzlich verbriefte Möglichkeit der öffentlichen Hand, so starken Einfluss auf das Unternehmen auszuüben, könne private Investoren davon abhalten, VW-Aktien zu kaufen. Diese Hürde sei umso höher, so argumentiert der Generalanwalt, da das VW-Gesetz das Stimmrecht der Anteilseigner auf 20 Prozent beschränke. Wer also wie Porsche derzeit einen VW- Anteil von 27,4 Prozent besitzt, hat dennoch nur 20 Prozent der Stimmen. Deshalb gehörte Porsche-Chef Wendelin Wiedeking auch zu den schärfsten Kritikern des Gesetzes. Der dritte Punkt, den der Generalanwalt kritisiert, ist die bisherige Mehrheit bei Beschlüssen der Hauptversammlung. Gefordert ist laut Gesetz nämlich eine Mehrheit von mehr als 80 Prozent des vertretenen Kapitals. Mit anderen Worten: Da das Land Niedersachsen noch gut 20 Prozent der Aktien hält, hat es eine Sperrminorität auf der Hauptversammlung. Die Rechtfertigung der Bundesregierung und des Landes Niedersachsen für das VW-Sondergesetz hält der EuGH-Generalanwalt für nicht schlüssig.

Der EuGH hat in früheren Urteilen Stimmrechtsbeschränkungen und Beschränkungen der Kapitalsverkehrsfreiheit nur dann akzeptiert, wenn sie den „Interessen der Allgemeinheit“ dienten. Das sei aber im Fall VW nicht der Fall. Das sieht VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh ganz anders. Das gesamte Verfahren der Kommission sei ein „Angriff gegen die Belegschaft von Volkswagen“. Der EU warf er vor, „alle Lebensbereiche dem neoliberalen Mainstream unterordnen“ zu wollen. Im Übrigen zeige die Beteiligung von Porsche, „dass das VW-Gesetz keinen Anleger von Investitionen abhält“. Osterloh begrüßte ausdrücklich den Einstieg von Porsche, doch „niemand gibt uns die Sicherheit, dass sich Porsche nicht eines Tages von seinen Aktien trennt“, sagte Osterloh in Wolfsburg. Deshalb sei das „historisch einmalige Gesetz“ auch in Zukunft erforderlich, um „einen angemessenen Interessenausgleich zu schaffen“. Der stellvertretende VW-Aufsichtsratsvorsitzende und IG Metall-Chef Jürgen Peters fand es „verwunderlich, dass der Generalanwalt das Interesse anonymer Anleger höher bewertet als das Interesse an einer nachhaltigen Beschäftigung der Arbeitnehmer“.

Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff, der bei VW bis zum Einstieg von Porsche eine Schlüsselstellung eingenommen hatte, sieht dem Ende des Gesetzes angeblich gelassen entgegen. „Wenn es fällt, hätte es keine wesentlichen Auswirkungen.“ Durch den Einstieg von Porsche bei VW sei eine feindliche Übernahme ohnehin nicht mehr zu befürchten. „Niedersachsen und Porsche können gemeinsam eine Zerschlagung des Konzerns verhindern“, sagte Wulff der „Neuen Presse“ in Hannover. Eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums sagte, die Bundesregierung sei nach wie vor der Auffassung, „dass die kritisierten Regelungen des VW-Gesetzes mit dem europäischen Recht vereinbar sind“. Aus dem in wenigen Monaten erwarteten Urteil werde die Bundesregierung jedoch „gegebenenfalls ihre Schlüsse ziehen“.

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