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POSITION: Die Renditebahn

Die geplante Privatisierung der Bahn ist intransparent und trägt paradoxe Züge. Ein Kommentar von Winfried Hermann, Verkehrsexperte der Grünen.

An diesem Montag befasst sich der Koalitionsausschuss mit der Teilprivatisierung der Bahn. Bundeskanzlerin Angela Merkel kündigte bereits grundsätzliche Zustimmung zu dem SPD-Modell an, bis zu 24,9 Prozent der Verkehrssparte einer neuen Bahn-Holding an private Investoren zu verkaufen. Damit könnte die Privatisierung noch im Herbst über die Bühne gehen.

(Tsp)

Nach langem Ringen mit sich selbst, hat sich die SPD-Führung – entgegen ihrem Parteitagsbeschluss – für eine Bahnprivatisierung entschieden: 24,9 Prozent des Personen- und Güterverkehrs der Deutschen Bahn AG dürfen verkauft werden. Damit ist der Weg frei für den Börsengang.

Was auf den ersten Blick eher harmlos aussieht, weil immerhin die Gleise und Bahnhöfe nicht mitveräußert werden, hat weitreichende, negative Konsequenzen. Denn entscheidend ist nicht, wie viel Prozent privatisiert werden, sondern ob die privaten Investoren tatsächlich keinen Zugriff auf die öffentliche Infrastruktur erhalten. Und dafür ist die geplante Privatisierung vollkommen ungeeignet. Sie ist intransparent und trägt paradoxe Züge: Da werden unter dem Dach einer Staatsholding zwei Holding-Tochtergesellschaften gebildet. Die eine ist für die Infrastruktur verantwortlich und dem Gemeinwohl im Sinne des Grundgesetzes verpflichtet; die andere, teilprivatisierte Transportholding soll kurzfristig hohe Gewinne erzielen. Darauf werden die Anleger bestehen. Und der Herrscher über das Ganze bleibt vermutlich Hartmut Mehdorn.

Die Folgen für Kunden und Steuerzahler werden katastrophal sein: Vor allem der Personenfernverkehr wird unter Renditedruck geraten. Viele Städte drohen vom Fernverkehr der Bahn abgehängt zu werden. Nach einer Untersuchung der Beratungsfirma KCW betrifft das zum Beispiel Potsdam, Brandenburg und Cottbus. Auch ist es viel lukrativer, weltweite Logistikgeschäfte zu machen, als neue Züge in Deutschland fahren zu lassen. Schon heute ist DB Schenker der größte Lkw-Spediteur in Europa. Private Investoren werden folglich das Lkw-Geschäft ausbauen, statt in ungleich teurere neue Loks und Waggons zu investieren.

Um mehr Verkehr auf die Schiene zu holen, benötigt man aber ein wirklich unabhängiges, bundeseigenes Schienennetz, das ordnungspolitisch klar vom Transport getrennt ist. Es ist zudem hochriskant, wenn ein Unternehmen mit staatlicher Beteiligung Lkw-Flotten, Eisenbahnen und Logistikniederlassungen auf der ganzen Welt unterhält. Verspekuliert sich die Konzernführung, haften die deutschen Steuerzahler. Die Schulden und Kosten werden mit Sicherheit beim Staat und Steuerzahler landen, die Erlöse bei den Aktionären.

Kontrollieren oder gar verkehrspolitisch steuern lässt sich das Ganze nicht. Und das scheint auch nicht gewollt. Sonst würde man die Privatisierung nicht ohne gesetzliche Grundlage machen. Fortan ist die Weiterentwicklung der Deutschen Bahn eine Unternehmensentscheidung und nicht mehr Sache des Parlaments. So ist das Holding-Modell nicht nur ein Ausverkauf des Schienenverkehrs, sondern auch die Aufgabe einer eigenständigen Bahnpolitik, die es dringend bräuchte, wenn man mehr Verkehr auf die Schiene bringen will.

Für die Zukunft der Bahn und des Schienenverkehrs braucht es einen Neustart, das heißt zunächst ein umfassendes Bahnkonzept, mit dem dieser umwelt- und klimafreundliche Verkehrsträger weiterentwickelt wird. Ohne gesetzlichen Rahmen und ohne verkehrspolitische Vorgaben zu Mindeststandards bei Fahrplänen und Takten und bei Servicequalität wird der teilprivatisierte Fernverkehr nicht dem Grundgesetz, sondern der Renditelogik folgen.

Winfried Hermann ist verkehrspolitischer Sprecher der Grünen.

Winfried Hermann

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