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Wirtschaft: Post aus Russland: Der Euro lässt den Kreml kalt

Wie arbeitet man in Amerika und Afrika? Wie legt man Geld in Japan oder in Russland an?

Wie arbeitet man in Amerika und Afrika? Wie legt man Geld in Japan oder in Russland an? Fernab von den Nachrichten über Fusionen und das Auf und Ab an den Börsen berichten Korrespondeten immer sonntags über Menschen hinter den Wirtschaftsnachrichten - in Washington, Tokio, Moskau und Kapstadt.

Zuerst glaubten die Moskauer, Putin fahre irgendwo hin. Doch Blaulicht, Motorrad-Eskorte und gesperrte Straßen galten diesmal nicht der Sicherheit des Kremlfürsten, sondern einem gepanzerten Inkasso-Fahrzeug, das Heiligabend die erste Partie Euros vom internationalen Airport Scheremetjewo-2 in die Tresorräume Moskauer Banken beförderte. Vorerst sind es nur sieben Geldhäuser, die vom zweiten Januar an Bargeld-Geschäfte mit der neuen europäischen Einheitswährung führen dürfen. Nach Meinung von Experten ist das ausreichend: Russland ist Dollarland und wird es wohl noch lange bleiben. Zum Thema OnlineSpezial: Der Euro kommt! Euro-Countdown: Die Serie im Tagesspiegel Euro-Memory: Passende Euro-Pärchen finden Ted: Der Euro - mehr Vor- oder mehr Nachteile? Zwar wickelt der russische Zoll schon seit 1. Januar 1999 seinen gesamten bargeldlosen Verkehr in Euro ab. Doch 60 bis 70 Prozent aller Außenhandelsoperationen und 80 Prozent aller Geldgeschäfte werden in Dollar getätigt. Auch die Devisenreserven der Staatsbank bestehen zu 70 Prozent aus Greenbacks und gut die Hälfte seiner Schulden muss Moskau ebenfalls in Dollar zurückzahlen. Ganze 33 Prozent aller Auslandsverpflichtungen werden in Euro fällig. Und weniger als zehn Prozent der Bevölkerung horten statt Dollar D-Mark als eiserne Reserve unter der Matratze.

Vor allem an sie richtet sich die "eindringliche Bitte" von Öffentlichkeitsarbeitern der Zentralbank, der Versuchung zu widerstehen, ihren Notgroschen zu angeblich supergünstigen Bedingungen auf dem Schwarzmarkt in Euro zu tauschen. Schon gar nicht vor dem 1. Januar. Und danach, so heißt es in der von allen großen Zeitungen abgedruckten Erklärung, auch nur "bei Kreditinsitituten, die nachweislich das Vertrauen der Bevölkerung genießen". Wenn überhaupt, fallen nach dem Bankencrash im August 1998 lediglich die Filialen der Sparkassen unter diese Kategorie.

Vorsicht ist in der Tat angebracht. Wie die neuen Scheine aussehen, wissen in Russland bisher lediglich die Auslandsabteilungen der Banken. Vor allem durch Fotos und eine detaillierte Beschreibung der technischen Charakteristika von Scheinen und Münzen, die bereits vor Monaten verschickt wurden. Gerade dies, befürchtet der Direktor der Emissionsabteilung der russischen Notenbank, Alexander Jurow, sei ein Tatbestand, der kriminelle Energien gera- dezu provoziere. Zumal davon ausgegangen werden muss, dass spätestens nach dem spektakulären Überfall auf einen Euro-Transport in Deutschland auch russische Fälscher im Besitz der Scheine sind.

Die Herstellung von Blüten, argwöhnt Jurow, laufe daher bereits auf Hochtouren. Befürchtungen, die begründet sind: Mit Hochleistungs-Computern und Laserdruckern schlugen Dollar-Fälscher schon häufig Detektoren und sogar erfahrenen Kassierern renommierter Banken ein Schnippchen. Um mögliche Schäden zu minimieren, wurden die zahllosen Wechselstuben bereits dazu verdonnert, ab 3. Januar - dem ersten Arbeitstag des neuen Jahres - Fotokopien aller Euroscheine auszuhängen. Den Bürgern wird außerdem empfohlen, die Scheine vor dem Kauf unter verschiedenen Neigungswinkeln gegen das Licht zu halten und auf Knitterfestigkeit zu prüfen.

Einen Euro-Run schließt Jurow für die "absehbare Zukunft" ohnehin aus: Russland habe mit Misstrauen verfolgt, wie der Euro in den ersten drei Jahren seiner Existenz 25 Prozent an Wert verlor. Der Greenback dagegen kennt hier zu Lande nur einen Trend - aufwärts - und legte allein nach der Finanzkrise 1998 zehn Prozent an Wert zu. Daran, meint Jurow, werde sich auch nach dem Übergang von einer virtuellen zur realen Währung wegen drohender Rezession und der Unfähigkeit Europas, sich in absehbarer Zeit in Konkurrenz zu den USA als "global player" zu profilieren, wenig ändern.

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