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Wirtschaft: Post nimmt den Kunden als Geisel

Falls das Postgesetz in diesem Jahr nicht mehr kommt, kann der Monopolist schalten und walten wie er will BERLIN.Glaubt man der Post, droht im nächsten Jahr das Chaos: Sollten sich SPD und Koalition in den nächsten Wochen nicht doch noch auf ein Postgesetz einigen, "herrscht ab dem 1.

Falls das Postgesetz in diesem Jahr nicht mehr kommt, kann der Monopolist schalten und walten wie er will BERLIN.Glaubt man der Post, droht im nächsten Jahr das Chaos: Sollten sich SPD und Koalition in den nächsten Wochen nicht doch noch auf ein Postgesetz einigen, "herrscht ab dem 1.Januar 1998 die blanke Anarchie", fürchtet Martin Dopychai, Sprecher der Post AG.Denn dann würden mit einem Schlag alle Regulierungen, die es bisher im Postbereich gibt, wegfallen.Sowohl für die Kunden als auch die Post-Mitarbeiter wäre das eine Katastrophe, heißt es bei der Post.Nicht nur die 285 000 Post-Mitarbeiter, die noch bis Ende dieses Jahres vor betriebsbedingten Kündigungen geschützt sind, hingen in der Luft, kritisiert Dopychai, auch die Konsequenzen für die Verbraucher ließen sich jetzt noch gar nicht ermessen.Zwar wolle man nicht "den Teufel an die Wand malen", aber ohne Postgesetz entfiele auch die Postkundenschutzverordnung, die die Pflichten des Monopolisten gegenüber dem Kunden regelt.Danach ist das Bundesunternehmen verpflichtet, für eine flächendeckende Versorgung zu sorgen, die Zustellung an sechs Wochentagen zu garantieren, einen Briefkasten im Umkreis von mindestens einem Kilometer zu unterhalten und im Umkreis von zwei Kilometern mindestens eine Postannahmestelle einzurichten.Zwar werde man aus Wettbewerbsgründen auch ohne entsprechende Verpflichtung künftig daran festhalten, Briefe einen Tag nach Einlieferung beim Adressaten abzuliefern, doch was aus dem übrigen Pflichtenkatalog werde, sei völlig offen.Auch die flächendeckende Versorgung der Bundesbürger mit Postleistungen sei ohne Postgesetz "nicht sichergestellt", warnt der Post-Sprecher.Der Entwurf des Postgesetzes sieht vor, daß die "Gelbe Post" vom 1.Januar 1998 an nur für Briefsendungen bis 100 Gramm eine Exklusivlizenz bekommt.Schwerere Briefe könnten dann aber auch von anderen Firmen befördert werden (siehe auch untenstehenden Bericht). Ein Scheitern des Postgesetzes brächte den Bund in Schwierigkeiten, räumt man beim Bundespostministerium ein.Denn nach Artikel 87 des Grundgesetzes steht der Bund in der Pflicht, für ein flächendeckendes Infrastrukturangebot zu sorgen.Notfalls müsse dieses über die allgemeinen gesetzlichen Regelungen erfolgen.Befürchtungen der Konkurrenz, die marktmächtige Post könnte Wettbewerber einfach "plattmachen", will Sprecher Christian Hoppe nicht gelten lassen.Dann würde notfalls das Bundeskartellamt einschreiten.Und auch die Kunden sollten sich nicht sorgen: Auch ohne Postgesetz werde die Post nicht von heute auf morgen ihre Sendungen einstellen. Für "Angstmache" hält man beim Verband der Postbenutzer Überlegungen der "Gelben Post", weitere Postfilialen zu schließen, falls das Postgesetz scheitert."Jeder private Kunde geht statistisch gesehen nur 0,8 Mal im Monat zu einer Postfiliale, die Zahl der Filialen hat daher keinen Aussagewert über die Versorgung mit Postleistungen", sagt der Vorsitzende des Verbandes, Wilhelm Hübner.Anders als den Postkritiker hatte die jüngste Schließungswelle viele Kunden dagegen durchaus empört.Allein in Berlin und Brandenburg mußten seit 1995 von den damals 597 Ämtern bis heute 131 schließen.Von der Post-Tochter Deutsche Post-Service-Vertriebs GmbH betriebene "Post-plus"-Läden, in denen neben Briefmarken auch Zeitungen und Süßigkeiten verkauft werden, sowie die in Supermärkten und Schreibwarenläden eingerichteten Post-Agenturen sorgen dafür, daß die Zahl der Postannahmestellen bundesweit heute noch 15 000 beträgt.Bis zum Jahr 2000 will die Post mindestens 12 000 solcher Stellen erhalten. Im Streit um das Postgesetz "spielt der Bürger keine Rolle", glaubt Hübner.Dem Verbraucher ginge es besser, wenn es endlich freien Wettbewerb gäbe.Bedenken, die privaten Konkurrenten würden sich nur die Rosinen herauspicken und Kunden auf dem flachen Land gar nicht oder nur zu horrenden Preisen beliefern, hält Hübner für abwegig.Doch anders als im Bereich der Werbepost halten sich die privaten Interessenten derzeit noch bedeckt.Immerhin müßte man erst einmal einen dreistelligen Millionenbetrag investieren, um ein der Post vergleichbares Infrastrukturnetz aufzubauen.Dagegen wollen die Alternativen Zustelldienste (AZD), die sich auf die Zustellung von Infopost und Zeitschriften konzentrieren, im nächsten Jahr Gas geben, falls das Monopol der Post uneingeschränkt fällt.Das Verteilvolumen wolle man verdoppeln, und in fünf Jahren könne man 40 000 Vollzeitkräfte zusätzlich einstellen, prognostiziert Geschäftsführer Manfred Weiß. Ihr treuester Kunde, das Versandhaus Quelle, wird der Post aber auch im nächsten Jahr erhalten bleiben.Selbst wenn der Wettbewerb schärfer würde, könnten die Großkunden - neben den Paketen verschickt Quelle täglich eine Mill.Werbebriefe an die Kundschaft - nicht von heute auf morgen zu einem anderen Unternehmen wechseln.Zudem sei die Post im Frachtbereich auch eindeutig besser geworden, lobt Quelle-Sprecher Erich Jeske.Die Auslieferung von Paketen innerhalb von 48 Stunden oder zu bestimmten Wunschterminen sei früher nicht denkbar gewesen.

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