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Jann Jakobs (SPD), Oberbürgermeister von Potsdam, gehört zur Verhandlungskommission der Arbeitgeber im Tarifstreit um die Sozial- und Erziehungsdienste.

© Ralf Hirschberger/dpa

Potsdamer Oberbürgermeister über Kitastreiks: Kein Kampf zwischen Geiz und Gier

Potsdams Oberbürgermeister Jakobs kritisiert die hohen Erwartungen der Erzieher im aktuellen Tarifkonflikt und warum wohl keine flächendeckenden Streiks mehr drohen.

Herr Jakobs, was ist Erziehungsarbeit wert?

Darüber kann man vortrefflich streiten. Die Erzieherinnen und Erzieher selbst sagen ja, sie würden ihre Arbeit unter Wert verkaufen. Das kann man diskutieren. Und dann muss die Gesellschaft klären, ob sie bereit ist, für diese Arbeit mehr zu zahlen. Das Geld kommt von der Allgemeinheit der Steuerzahler. Die Frage, was Erziehung in der Gesellschaft wert ist, kann nicht allein über tarifpolitische Forderungen geklärt werden.

Sondern?

Die Wertschätzung der Arbeit wird von vielen Kitabeschäftigten nicht nur an der Bezahlung gemessen, sondern auch an den Gruppengrößen und Fortbildungsmöglichkeiten, der Ausstattung mit Materialien und zusätzlichen Ressourcen für Sprachkurse oder die Migrantenbetreuung. Und es gibt in jedem Bundesland ganz unterschiedliche Rahmenbedingungen in den Einrichtungen. Schließlich gibt es häufig eine mangelnde Wertschätzung durch die Eltern.

Also ein unattraktiver Beruf.

Alles in allem, das weiß ich aus Gesprächen mit Erzieherinnen, gibt es eine sehr große Erwartungshaltung. Der können die Tarifparteien allein nicht gerecht werden. Die große Erwartung erklärt auch, warum das einvernehmlich vereinbarte Schlichtungsergebnis mit fast 70 Prozent von der Gewerkschaftsbasis abgelehnt wurde.

Nicht der Geiz der Arbeitgeber, sondern die Gier der Arbeitnehmer hat also ins Dilemma geführt?

Hier geht es weder um Geiz noch um Gier, allein der Tarifkonflikt muss gelöst werden. Das haben wir mit einem sorgfältig austarierten Schlichterspruch gemacht. Um nur ein Beispiel zu nennen: Für eine deutliche Besserstellung von Leitungskräften haben wir auf der anderen Seite eine relativ lange Vertragslaufzeit von fünf Jahren vereinbart. Wenn man das Paket jetzt an einer Stelle aufknüpft, hat das Auswirkungen an anderer Stelle.

Ohne Bewegung der Arbeitgeber wird es aber keine Lösung geben.

Es gibt ganz unterschiedliche finanzielle Bedingungen in den Städten und Gemeinden. Frankfurt am Main oder München können vermutlich mehr zahlen, vielen anderen Kommunen ist das nicht möglich. Und allein schon der Schlichterspruch hat bei uns dazu geführt, dass ein halbes Dutzend Städte die VKA verlassen hat. Wir müssen ebenso Rücksicht nehmen auf unsere Mitglieder wie Verdi.

Bei den Sozialarbeitern sollten Sie etwas drauflegen, sonst gibt es garantiert wieder Streik.

Wir haben uns intensiv mit jeder Berufsgruppe auseinandergesetzt und die Einkommen da besonders erhöht, wo die Anforderungen gestiegen sind. Vor allem bei den Kitaleitungen. Im Rahmen der Schlichtung haben wir dann auch bei den Sozialarbeitern nachjustiert. Es stimmt nicht, dass diese Gruppe leer ausgeht.

Ihre Parteifreundin, Familienministerin Manuela Schwesig, mahnt zum schnellen Kompromiss. Kann der Bund bei der Lösung helfen?

Das sind erst mal wohlfeile Ratschläge. Wir brauchen aber keine Ratschläge, sondern Mittel des Bundes für die Städte und Gemeinden, damit die ihre Aufgaben erfüllen können. In den letzten Jahren hatten wir doch eine Politik der Bruttoregistertonnen: So viele Kitaplätze wie möglich. Jetzt geht es endlich auch um die Qualität der Plätze, und da darf der Bund die Kommunen nicht allein lassen.

Wer sitzt denn nun tiefer in der Klemme: Verdi-Chef Bsirske oder VKA-Präsident Böhle?

Erst mal Bsirske wegen der hohen Erwartungshaltung der eigenen Basis. Das hat er offenbar nicht richtig eingeschätzt. Aber wir als kommunale Arbeitgeber stehen auch in der Verantwortung, denn ein zugespitzter Konflikt zwischen Eltern und Erziehern wäre natürlich nicht gut und ist auch nicht in unserem Interesse.

Bsirske hat „unkonventionelle Streiks“ angekündigt. Wissen Sie, was er damit meint?

Die bisherigen Streiks haben eine Menge Geld gekostet. Deshalb wird Verdi vermutlich nicht weitere flächendeckende Streiks durchführen, sondern punktuell, vor allem in westdeutschen Großstädten Kitas bestreiken.

Aber frühestens im Oktober, nach dem Ende der Ferien und dem Bundeskongress der Gewerkschaft. Was passiert bis dahin?

Wir treffen uns Anfang Oktober wieder, bis dahin gibt es viel Zeit, um nachzudenken. Ein Kompromiss muss gefunden werden, aber nach dieser Vorgeschichte wird jede Lösung wahrscheinlich zu Verwerfungen führen – auf beiden Seiten.

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