zum Hauptinhalt
Das Bahnprojekt S21 darf mehr Geld kosten - auf das irgendwann die Baugruben verschwinden.

© dpa

Problem-Bahnhof: Für Stuttgart 21 gibt es zwei Milliarden Euro mehr

Das Bahnprojekt Stuttgart 21 wird deutlich teurer – trotzdem will der Bund dem Vorhaben seinen Segen geben.

Der Zwischenangriff Nord hat begonnen. Angerückt sind die Truppen mit schwerem Gerät – mit Großbohrern, so dick wie ein hundertjähriger Baum, mit Radladern, Ketten- und Seilbaggern, Kompressoren und Aggregaten. 25 Meter tief in die Erde wollen sie vordringen, begleitet von Lärm, Staub und Dieselgestank, trotz Eis und Schnee.

Es geht nicht um Krieg, es geht um Stuttgart. Die Deutsche Bahn hat dieser Tage die ersten Arbeiten am weit verzweigten Tunnelnetz für den Tiefbahnhof Stuttgart 21 gestartet. Für viele Bürger der Landeshauptstadt beginnt nun eine schwierige Zeit, vielerorts werden sie das Rütteln und Röhren der Maschinen ertragen müssen – über Jahre. Aber auch für die Finanziers des Mega-Projekts dürfte es nicht einfach werden: Sind die Tunnel erst einmal gebohrt, gibt es kein Zurück mehr. Dann muss das größte Bauvorhaben der Republik zu Ende gebracht werden, will man nicht Ruinen hinterlassen.

Der Bund will sich dem Vorhaben jedenfalls nicht in den Weg stellen, obwohl Mehrkosten in Milliardenhöhe drohen. Es zeichnet sich ab, dass der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn auf seiner nächsten Sitzung am 5. März beschließt, dass das Projekt bis zu 6,5 Milliarden Euro kosten darf – rund zwei Milliarden mehr als bislang veranschlagt. Diese Zahl geht nach Tagesspiegel-Informationen aus einer Beschlussvorlage für das Kontrollgremium hervor. Weitere Kosten sollen demnach die Projektpartner bezahlen: 300 Millionen Euro, die für die Anbindung des Stuttgarter Flughafens sowie Wünsche aus der Schlichtung von 2010 fällig werden, sollen vor allem vom Land Baden-Württemberg finanziert werden. Weitere Geldgeber von Stuttgart 21 sind der Bund und Institutionen in der Region.

Aber auch an den Mehrkosten, über die die Bahn erstmals im Dezember berichtet hatte, sollen sich die Parteien beteiligen, hieß es in Unternehmenskreisen. „Zur Not verklagen wir die.“ Um den Bau nicht zu verzögern, will zunächst der Staatskonzern in Vorlage gehen. Die Hoffnung ist, dass die zwei Milliarden gar nicht erst fällig werden – etwa, weil Bahn, Land und Stadt besser zusammenarbeiten. Baden-Württemberg und Stuttgart werden allerdings von Grünen-Politikern regiert, die Stuttgart 21 ablehnen.

Vertreter des Bundes im Aufsichtsrat hoffen überdies, dass über die derzeit genannten Beträge hinaus bis zur Eröffnung Ende 2021 keine weiteren Kostensteigerungen hinzukommen. Ein Bahn-Sprecher wollte zu dem Thema nichts sagen.

Ursprünglich hatte die Bahn Stuttgart 21 nur bauen wollen, wenn die Kosten bei maximal 4,5 Milliarden Euro gelegen hätten. Nur bis zu dieser Grenze wäre der Umbau des alten Kopfbahnhofs in eine unterirdische Station wirtschaftlich gewesen. Angesichts der neuen Zahlen rechnet sich das Projekt für die Bahn nun nur deshalb, weil sie die Kosten für einen Ausstieg auf bis zu zwei Milliarden Euro taxiert – mit dem Geld müssten etwa Baufirmen entschädigt werden, die bereits Aufträge für 1,8 Milliarden Euro bekommen haben.

Stuttgart 21 steht in der Kritik, weil es als zu teuer gilt und womöglich über Jahre bundesweit Auswirkungen auf die Schiene haben könnte. So könnte die Bahn angesichts hoher Kosten andernorts die Investitionen zurückfahren und die Preise anheben, befürchtet etwa der Verkehrsclub VCD. Skeptiker nehmen zudem an, dass angesichts der Erfahrungen mit vielen Großprojekten auch die neue Grenze von 6,5 Milliarden Euro nicht reicht. Karlheinz Rößler, ein Verkehrsberater aus München, rechnet etwa mit bis zu zehn Milliarden Euro Gesamtkosten.

Aber auch im Konzern und im Bund gab und gibt es große Zweifel an dem Projekt. Der Aufsichtsrat hat deshalb Wirtschaftsprüfer damit beauftragt, die Kalkulationen des Bahn-Vorstands unter die Lupe zu nehmen. Auch gab es Bedenken, ob sich der Aufsichtsrat nicht strafbar macht, wenn er einem Projekt mit klar negativer Rendite zustimmt – der Vorwurf könnte eines Tages auf Untreue lauten. Befürworter werfen dagegen ein, dass es nach einem Abbruch der Arbeiten bis zu zehn Jahre dauern könnte, bis die Bagger für einen Alternativbau anrücken. So lange würden Machbarkeitsstudien, Planungen und Genehmigungen in Anspruch nehmen, hieß es.

Die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat sind allerdings noch nicht überzeugt. Eine Reihe von Fragen müsse noch geklärt werden, hieß es bei der Gewerkschaft EVG: Man wolle etwa wissen, ob es noch weitere Risiken gebe und wie wahrscheinlich eine Beteiligung der Projektpartner sei. Die Regierung Baden-Württembergs hielt sich bedeckt: Man hoffe, dass sich der Aufsichtsrat seiner Verantwortung bewusst sei und darauf achte, dass das Projekt wirtschaftlich bleibe, sagte ein Sprecher von Verkehrsminister Winfried Hermann.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false