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Besser, flacher, hipper. Nicht nur in Japan freuen sich Fans über das jeweils neueste iPhone – bis es wieder veraltet ist.

© AFP

Produktlebenszyklen: Immer schneller neuer

Fernseher, Laptop, iPhone: Eine Innovation jagt die nächste. Immer schneller scheinen neue Produkte auf den Markt zu kommen. Und der Kunde spielt mit. Doch die Verkürzung der Produktlebenszyklen birgt auch Nachteile.

Die Fans jubeln. Seit vorletzter Woche gibt es das neue iPad auch in Deutschland. Gerade einmal zehn Monate hat Apple gebraucht, um die neueste Version seines Tabletcomputers auf den deutschen Markt zu bringen. Doch was die einen freut, ärgert andere. Denn nicht selten stellen Konsumenten fest, dass ihr erst kürzlich gekauftes Produkt schon wieder Schnee von gestern ist. Die aktuellen Versionen kosten dasselbe oder weniger, können aber mehr. So auch beim iPhone von Apple. Seit der Erstauflage 2007 kommt pünktlich Jahr für Jahr ein neues Modell des Smartphones auf den Markt.

Doch Apple ist mit dem Tempo nicht allein. Ob Fernseher, Computer oder Auto – ständig bringen die Hersteller ein neues Produkt, eine Produktvariante oder ein gehübschtes Modell auf den Markt. Die Produktlebenszyklen verkürzen sich spürbar.

Das gilt besonders für den Computermarkt. Getrieben von immer neuen Innovationen und Leistungsmöglichkeiten vergehen heute oft nur noch drei bis vier Monate, bis neue Laptops oder Desktop-PCs erscheinen. Aber auch bei Fernsehern kommen die Modellwechsel schneller. Brachten die Hersteller früher etwa alle zehn Jahre ein neues Gerät auf den Markt, dauert es heute ungefähr ein halbes Jahr, bis die neue Generation vorgestellt wird. Die Neuerungen folgen Schlag auf Schlag. Auf die alte Röhre folgte der Flachbildschirm mit LED, LCD oder Plasmatechnik, jetzt werden 3D- und Hybridgeräte, mit denen man auch ins Internet kommt, angeboten.

Und der Kunde spielt mit. Früher schafften sich die Deutschen alle zehn bis zwölf Jahre einen neuen Fernseher an, heute ersetzen sie ihr vermeintlich altes Gerät schon nach vier bis sechs Jahren. Noch schneller geht es bei Computern und Handys. Alle drei Jahre wird ein neuer Rechner angeschafft. Und beim Wechsel des Mobilfunkanbieters alle zwei Jahre wechselt der Deutsche nicht selten auch das Gerät. „Es gibt einen Dualismus“, sagt Tobias Langner, Marketingprofessor an der Bergischen Universität Wuppertal. „Die Hersteller bieten Neuerungen in einem speziellen Rhythmus an, und die Käufer wünschen das auch."

„Die Produktlebenszyklen vieler Elektronikgeräte lehnen sich heutzutage an die Entwicklungsgeschwindigkeit der Chips an“, sagt Michael Schidlack vom IT-Branchenverband Bitkom. Diese beträgt manchmal nur noch einige Monate, was die Entwicklung von neuen Geräten antreibt. Zum anderen ist die Verkürzung von Produktlebenszyklen dem Wettbewerb geschuldet. Auf dem globalen Markt tummeln sich für ein und dieselbe Produktsparte unzählige Anbieter. Gerade in gesättigten Märkten müssen Hersteller ständig neue, innovative Produkte anbieten, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Die Innovationen können dabei technisch oder ästhetisch sein. „Wichtig für den Kunden sind aber relevante und vor allem erlebbare Innovationen“, sagt Langner. So sei es für den Käufer eines Autos manchmal wichtiger, ein schönes Cockpitdesign mit Getränkehalter zu haben als ein Fahrzeug mit innovativer Hinterachse, die der Käufer gar nicht erleben könne. „Schmuckdesign bringt immer etwas“, sagt Langner.

Besonders die Automobilbranche arbeitet gern mit Modellkosmetik. Ein paar neue, schicke Scheinwerfer, ein schnittigeres Karosseriedesign, ein paar kleine Änderungen im Innenraum – schon ist das Fahrzeug an den Zeitgeist angepasst und wird gekauft. Lag der Produktlebenszyklus von Fahrzeugen in den 70ern im Schnitt noch bei acht Jahren, waren es in den 90ern bereits nur noch drei Jahre. Heute bekommt ein Auto sein erstes Facelift oft bereits nach zwei bis drei Jahren.

Doch die Verkürzung der Zyklen hat auch eine Kehrseite. Wo Neues angeschafft wird, will Altes entsorgt werden. Das bekommen besonders die Entwicklungsländer zu spüren. 155 000 Tonnen als Gebrauchtwaren deklarierte Elektrogeräte werden jedes Jahr von Deutschland nach Afrika und Asien verschifft. Ein Großteil davon ist Elektroschrott. Die gebrauchsfähigen Geräte werden weitergenutzt, der Rest wird auf Ersatzteile hin ausgeschlachtet oder direkt entsorgt. „Dabei werden nicht annähernd EU-Anforderungen erfüllt“, sagt Knut Sander vom Institut für Ökologie und Politik (Ökopol) aus Hamburg. Die Folge: Giftige Edelmetalle und Chemikalien verschmutzen in den betreffenden Ländern die Umwelt.

Allerdings legen immer mehr Hersteller Wert auf Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit. Sie versuchen, die Produktion mit regenerativen Energien zu bestreiten und bei der Herstellung auf recyceltes Material zurückzugreifen. Dahinter steckt nicht immer nur ökologisches, sondern auch ökonomisches Interesse. Nachhaltigkeit kommt bei den Verbrauchern gut an. Und auch knapper werdende Rohstoffe, etwa bei den seltenen Erden, die man für Elektronikbauteile braucht, sind ein Grund für Recycling.

Unabhängig von der neuen Umweltliebe scheint die Verkürzung der Produktlebenszyklen auch aus ökonomischen Gründen an ihre Grenzen zu stoßen. „Wir beobachten in letzter Zeit eine Stagnation“, sagt Langner. „Für die Hersteller sind kurze Produktlebenszyklen nämlich nicht nur vorteilhaft.“ Für die Firmen ist es ein Kraftakt, in relativ kurzer Zeit mit einem Produkt Gewinn zu erwirtschaften. Auch bei Apple? Neuesten Gerüchten zufolge soll das iPhone 5 dieses Jahr erst im Herbst, statt wie sonst im Sommer erscheinen.

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