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Jerome Kerviel. Kurz vor seinem Rausschmiss bei Frankreichs drittgrößter Geschäftsbank wurde er noch zum sympathischsten Mitarbeiter gewählt.

© AFP

Prozess: Milliardenzocker Jérôme Kerviel vor Gericht

Im Prozess gegen den Skandal-Banker Jérôme Kerviel stehen sich in Paris die Staranwälte gegenüber.

Paris - Das gewinnende Lächeln ist einer ernsten Miene gewichen. Im dunklen Anzug ist Jérôme Kerviel vor der 11. Pariser Strafkammer erschienen. Mit kaum vernehmbarer Stimme beantwortet er die Fragen von Gerichtspräsident Dominique Pauthe nach Name und Geburtsdatum sowie seiner derzeitigen Tätigkeit als Angestellter einer Elektronikfirma mit einem Monatslohn von 2300 Euro.

4,9 Milliarden Euro soll Kerviel als Mitarbeiter der Pariser Großbank Société Générale verzockt haben. Als Wertpapierhändler ging er höhere Risiken ein, als es die internen Regeln erlaubten, und vertuschte sie, bis der Verlust im Januar 2008 aufflog. Auf „Fälschung, Vertrauensbruch und Manipulationen eines Computersystems“ lautet die Anklage. Der Vorwurf des Betrugs wurde nicht zugelassen, da Kerviel sich nicht persönlich bereicherte. Ihm drohen bis zu fünf Jahre Gefängnis und eine Geldstrafe von 375 000 Euro.

Die Société Générale, deren ehemaliger Präsident Daniel Bouton Kerviel einen „Terroristen“ nannte, dringt auf eine „exemplarische Sanktion“. Sie will zudem Schadensersatz für den Milliarden-Verlust fordern. Kerviel hat seine Fehler zugegeben, aber die Verantwortung dafür auf seine Vorgesetzten geschoben. Sie hätten die Augen verschlossen, wenn er Gewinne erzielte, sagte er vor den Untersuchungsrichtern aus, und bei Verlusten nicht genau hingesehen. Er stellt sich gern als Gefangener eines Systems dar, das ihn gezwungen habe, immer weiterzumachen, und aus dem er sich nicht mehr selbst habe befreien können.

Diese These will auch sein Verteidiger Olivier Metzner im Prozess vertreten. Er ist der siebte Anwalt, den Kerviel engagiert hat. Metzner gilt als Star unter den Pariser Anwälten, im vergangenen Jahr verteidigte er Ex-Premier Dominique de Villepin. „Kerviel hat Fehler begangen“, sagt Metzner, „aber er trägt keine persönliche Verantwortung.“

Metzner will Kerviel vom Täter zum Opfer machen und die Bank auf die Anklagebank bringen. Als Indiz nennt er eine Festplatte, auf der alle Transaktionen seines Mandanten aufgezeichnet seien. „Die hätten seine Vorgesetzten kennen müssen“, sagt er. Das meinte auch der Aufsichtsrat der Bank, auf dessen Druck Kerviels Vorgesetzte gefeuert wurden, auch Präsident Bouton. Und das meinte auch die Bankenkommission, die der Société Générale wegen mangelnder interner Kontrolle eine Vier-Millionen-Euro-Buße aufbrummte.

Mit 32 Zeugen will Metzner das Gericht von seiner These überzeugen. Die Anwälte der Société Générale, die neben Großaktionären und Kleinanlegern als Nebenkläger auftritt, spotten über das Aufgebot. „Unser bester Zeuge wird Kerviel selbst sein“, sagt Staranwalt Jean Veil, der Ex-Präsident Jacques Chirac zu seinen Klienten zählt. Er spielt damit auf die widersprüchlichen Erklärungen an, die der Angeklagte im Verlauf der Untersuchung gab. Im Prozess will er ihn als „Lügner“ vorführen. Hans-Hagen Bremer

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