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Regeln für den Finanzmarkt: Brüssel macht ernst

EU-Währungskommissar Olli Rehn will Defizitsündern Gelder kürzen oder sogar ganz streichen. Was die Europäische Union zur Regelung der Finanzmärkte planen.

Brüssel- Als Konsequenz aus der bisher unwirksamen Umsetzung des Europäischen Stabilitätspaktes hat die EU-Kommission gestern ein umfangreiches Paket von Überwachungsmechanismen und Sanktionsmöglichkeiten für überschuldete Mitgliedstaaten vorgestellt. Der zuständige Währungskommissar Olli Rehn sagte am Mittwoch in Brüssel, wenn jetzt nicht gehandelt werde, „setzen wir das europäische Modell der sozialen Marktwirtschaft aufs Spiel“.

Dabei handelt es sich um jene Reformen, die ohne eine komplizierte Änderung der europäischen Verträge schnell umgesetzt werden können. Über sie war Anfang Juni in einer vom EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy geleiteten Arbeitsgruppe zwischen den Finanzministern Europas Einvernehmen hergestellt worden.

Kern der präventiven Maßnahmen, die eine künftige Schuldenkrise verhindern helfen sollen, ist das sogenannte Europäische Semester. Das heißt, dass jeweils im ersten Halbjahr die finanz- und wirtschaftspolitischen Grundzüge der Mitgliedstaaten auf europäischer Ebene beraten werden. Konkret wird die EU-Kommission dazu jeweils im Januar eine genaue Einschätzung der Konjunkturaussichten liefern. Bis April müssen die Staaten dann über den Stand ihrer nationalen Reformbemühungen berichten sowie Eckdaten ihrer Haushaltsplanung nach Brüssel übermitteln. Rehn betonte gestern erneut, dass es dabei „nicht darum geht, in das parlamentarische Budgetrecht einzugreifen“, sondern darum, fundierte Entscheidungen zu treffen. Jeweils im Mai und Juni würde die EU-Kommission dann anhand der Daten, die auch solche zur Wettbewerbsfähigkeit der Staaten beinhalten, entsprechende Verwarnungen aussprechen. Die Staats- und Regierungschefs auf dem EU-Gipfel oder die entsprechenden Fachministerräte würden korrigierend eingreifen und Vorgaben machen.

Werden Defizite und Gesamtschulden dennoch nicht abgebaut, drohen harsche Sanktionen. Sie sollen dem Kommissionsvorschlag zufolge früher greifen. Rehn wünscht sich, dass es nicht wie bisher eine politische Entscheidung darüber geben muss, sondern die Strafmaßnahmen automatisch gelten. Dies und auch die Höhe der Sanktionen dürften Gegenstand der Verhandlungen im Herbst sein. Bis Ende September sollen dem Rat der 27 Regierungen und dem Europaparlament sechs entsprechende Gesetzesvorschläge auf dem Tisch liegen.

Die Brüsseler Behörde will die Zahlung von EU-Mitteln künftig von der Einhaltung der Stabilitätsregeln abhängig machen. Zahlungen aus den Struktur- und Regionalfonds sowie aus dem Agrar- und Fischereibudget könnten dann in einem ersten Schritt ausgesetzt und in einem zweiten ganz gestrichen werden. „Es wird jedoch Zeit bleiben, die jeweilige Politik zu korrigieren“, versicherte Rehn. Auch hätten die Nutznießer des Geldes, also vor allem die Landwirte, nicht darunter zu leiden: „Dann müssen die Nationalstaaten diese Zahlungen leisten.“

Das Kappen der Agrarbeihilfen würde die Mitgliedstaaten extrem hart treffen. Sie machen im Finanzplanungszeitraum zwischen 2007 und 2013 knapp 43 Prozent des EU-Haushalts aus – also 370 Milliarden Euro. Die Strukturfonds sind im selben Zeitraum gut 347 Milliarden Euro schwer.

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