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Wirtschaft: Rente mit 67 kostet die Jungen viel Geld

Studie: Wer auch in Zukunft mit 65 aufhören möchte, muss über 20 000 Euro zurücklegen

Berlin - Die Rente mit 67 könnte nach Meinung von Experten zu einem weiteren Fall für Horst Köhler werden. „Es ist möglich, dass der Bundespräsident auch dieses Gesetz nicht unterschreibt“, sagte Meinhard Miegel, Leiter des Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft (IWG), dem Tagesspiegel. Miegel hält die in dem Gesetz vorgesehene Ausnahmeregelung für langjährig versicherte Arbeitnehmer für verfassungswidrig. Auch die Deutsche Rentenversicherung hatte bereits ähnliche Bedenken geäußert.

Während nach den Plänen der Regierung Beschäftigte künftig bis zum 67. Lebensjahr arbeiten müssen, um ohne Abschläge in Rente gehen zu können, sollen Arbeitnehmer mit 45 Beitragsjahren auch in Zukunft mit 65 Jahren die volle Rente beziehen können. „Wer zwischen 23 und 68 arbeitet und 45 Jahre lang Beiträge einzahlt, wird schlechter behandelt als jemand, der zwischen dem 20. und 65. Lebensjahr sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist“, kritisierte Miegel. Unterm Strich könne das 20 000 bis 25 000 Euro ausmachen. Kritik kommt auch von den Grünen. „Viel Spaß beim Bundesverfassungsgericht und beim Bundespräsidenten“, sagte die rentenpolitische Sprecherin der Grünen, Irmingard Schewe-Gerigk, am Donnerstag bei der ersten Lesung des Gesetzes im Bundestag. Bundespräsident Köhler hatte sich kürzlich wegen verfassungsrechtlicher Bedenken geweigert, das Gesetz zur Privatisierung der Flugüberwachung und das Verbraucherinformationsgesetz zu unterzeichnen. Auf Anfrage wollte sich das Bundespräsidialamt zum Rentengesetz nicht äußern.

Die Bundesregierung will wegen der steigenden Lebenserwartung der Deutschen den Rentenbeginn schrittweise vom 65. auf das 67. Lebensjahr verlagern. Im Jahr 2012 soll damit begonnen werden, 2029 soll der Prozess abgeschlossen sein. Für die meisten Beschäftigten wird das zu einer Rentenkürzung führen, betonte das Deutsche Institut für Altersvorsorge (Dia) unter Berufung auf eine von ihm in Auftrag gegebene Studie des IWG. Damit alle Beschäftigten auch wirklich bis zum 67. Lebensjahr arbeiten und so Abschläge vermeiden könnten, müssten 2029 fünf Millionen mehr Ältere als heute eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung finden. Das sei laut Studie aber unwahrscheinlich.

Der spätere Rentenbeginn werde die gesetzliche Rente für die Versicherten noch unattraktiver machen, heißt es weiter. Für die Geburtsjahrgänge 1960 bis 1980 werde die Rendite sinken. Frauen kämen dann nur noch auf eine Rendite von 1,0 bis 0,6 Prozent (heute: 2,2 Prozent), Männer könnten auf maximal 0,4 Prozent hoffen (heute: 1,2 Prozent). Männliche Versicherte, die nach 1965 geboren sind, müssten sogar reale Einbußen befürchten.

Wer nach Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 weiterhin mit 65 in Rente gehen will, muss nach Berechnungen des IWG künftig erhebliche Ersparnisse bilden, um die Abschläge auszugleichen. Ledige Männer, die 1964 geboren sind, müssten zwischen 14 000 und 19 500 Euro ansparen, Frauen wegen ihrer höheren Lebenserwartung sogar zwischen 16 500 und 23 000 Euro. Die Deutsche Rentenversicherung warf der Studie „Interessengeleitetheit“ vor. Die Renditen blieben auch bei einem Rentenbeginn mit 67 positiv, betonte Präsident Herbert Rische. Das Dia wird maßgeblich von der Deutschen Bank finanziert.

Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) verteidigte vor dem Bundestag das umstrittene Gesetz, räumte jedoch ein, dass die meisten Beschäftigten „vor dem Höchsteintrittsalter in Rente gehen“. FDP-Sozialpolitiker Heinrich Kolb sprach von einer „verkappten Rentenkürzung“.

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