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Wirtschaft: Rentensysteme im Vergleich: Großbritannien: Ein Drittel der englischen Rentner lebt an der Armutsgrenze

Auch die Briten bleiben von Rentenproblemen nicht verschont. Aber wie bei so Vielem läuft es auch bei der Altersvorsorge in England anders als auf dem Kontinent: Die staatliche umlagefinanzierte Grundrente macht schon seit Jahren nur einen geringen Teil der Altersvorsorge aus.

Auch die Briten bleiben von Rentenproblemen nicht verschont. Aber wie bei so Vielem läuft es auch bei der Altersvorsorge in England anders als auf dem Kontinent: Die staatliche umlagefinanzierte Grundrente macht schon seit Jahren nur einen geringen Teil der Altersvorsorge aus. Betriebsrenten und andere private kapitalgedeckte Versicherungen sind dagegen stärker ausgeprägt als in Deutschland. "England wird deshalb eines der wenigen Länder sein, das in den nächsten Jahren keine tiefgreifende Krise im Rentensystem zu erwarten hat", sagt David Blake von der University of London. Doch gerade weil die staatliche Rente nur einen geringen Teil der Altersvorsorge ausmacht, stehen diejenigen Rentner relativ schlecht da, die nur auf diese "national insurance" bauen können. "Wer keine Betriebsrente oder andere private Vorsorge hat, ist im Alter ziemlich arm dran", sagt Blake. Rund ein Drittel der englischen Rentner lebt deshalb an der Armutsgrenze.

Die Übrigen erreichen - besonders dann, wenn sie auf eine gute Betriebsrente zurückgreifen können - bis zu knapp 70 Prozent ihres letzten Einkommens. Das gilt etwa für Michael R., der jahrelang für Kodak gearbeitet hat. Wie jedermann hat er die Beiträge für die staatliche Grundrente von heute fünf Prozent bezahlt. Sehr früh hat er aber die Möglichkeit des englischen Rentenversicherungssystems genutzt, aus der zweiten staatlichen Rentenversicherung (Serps) auszusteigen und dafür in ein Betriebsrentensystem zu wechseln, das höhere Renditen versprach. Auch den steuerbegünstigten Aufbau einer weiteren privaten Versicherung ließ er sich nicht entgehen. Nicht alle hatten jedoch die Mittel oder die Weitsicht.

Die Regierung Blair hat bei ihrer Rentenreform deshalb den Schwerpunkt auf die Rente für Niedrigverdiener gelegt: Ihnen wird seit April diesen Jahres eine Mindestrente von 78 Pfund in der Woche garantiert. Das sind umgerechnet knapp 1000 Mark im Monat. Hinzu kommen noch Heizkostenzuschüsse und Steuererleichterungen. Viel ist das dennoch nicht. Blair will deshalb auch die zweite Staatsrente in den unteren Gehaltsklassen weiter ausbauen. Dabei soll die bisherige einkommensbezogene Staatsrente durch die so genannte "State Second Pension" ersetzt werden. Das neue System soll besonders für die Gehaltsklassen unter 9000 Pfund im Jahr eine höhere Rente bringen. Gleichzeitig will Blair wie seine Vorgänger durch verschiedene Anreize die Arbeitnehmer dazu bewegen, aus der zweiten Staatsrente auszusteigen und dafür eine private Teilhaberrente aufzubauen. Diese "Stake-holder-pensions" sollen Rentenversicherungen mit niedrigen Verwaltungskosten sein. Angesprochen werden sollen Beschäftigte mit einem Jahreseinkommen von 9000 bis 18 500 Pfund.

Schon Mitte der 80-er Jahre hatte England Maßnahmen ergriffen, um das Rentensystem zu reformieren und die umlagefinanzierte staatliche Grundrente noch zu reduzieren und die kapitalgedeckten Renten weiter auszubauen. "Margaret Thatcher war eine der ersten, die das Problem gesehen hat", sagt Blake. Dies ist umso erstaunlicher, da England auch künftig noch mehr junge Leute hat, die für die Renten der Älteren aufkommen können, als dies in Deutschland der Fall ist. Dennoch hat Thatcher bei den staatlichen Renten den Rotstift angesetzt: Sie sollten nicht mehr wie die durchschnittlichen Bruttolöhne, sondern nur noch in Höhe der Preissteigerung angepasst werden. Mit umfangreichen steuerlichen Anreizen wollte Thatcher auch viele Beschäftigte dazu bewegen, privaten Rentenversicherungen beizutreten. Das Ergebnis 1990: Neben der Grundrente für alle, hatten 40 bis 45 Prozent der Erwerbspersonen Aussicht auf eine betriebliche Rente und 20 bis 30 Prozent Anspruch auf eine Privatrente. Nur noch 17 Prozent waren Mitglied in der zweiten staaatlichen Rente, dem Serps-System. Zehn Jahre zuvor waren es noch 40 Prozent.

Der Wechsel von staatlichen und betrieblichen Vorsorgeplänen hin zu privaten Renten hatte aber auch Nachteile: Thatcher hatte zu stark auf die Marktkräfte vertraut und die privaten Versicherungen zu wenig kontrollieren lassen. Hohe Verwaltungsgebühren waren die Folge. So machte der Fall eines Bergmanns Schlagzeilen, der durch den Wechsel später weniger als die Hälfte seiner Betriebspension bekommen sollte. Diese Ausfälle mussten die Gesellschaften mittlerweile aber wieder beheben. Für Aufsehen sorgte auch die Pleite des großen Mischkonzerns Maxwell, bei dem viele Mitarbeiter ihre Rentenansprüche verloren. Für solche Fälle gibt es heute einen Sicherungsfonds. Verbessert wurde - was die Betriebsrenten betrifft - auch die Möglichkeit, sich Anwartschaften bei einem neuen Arbeitgeber anrechnen zu lassen. "Ideal ist es aber immer noch nicht", sagt Rentenfachmann Blake. Hier müsse England soweit kommen, dass die Anwartschaften ohne Verluste bei einem Stellenwechsel übertragen werden könnten.

Karin Birk

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