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Wirtschaft: Risse im Reich der Wallenbergs

Sein erster richtig großer Auftritt war nicht schlecht."Husky", wie Marcus Wallenberg von Freunden genannt wird, blickte zwar zunächst ein wenig schüchtern drein, doch schnell zog ein entspanntes Lächeln über sein Gesicht, als er unlängst zum neuen Chef von Investor ernannt wurde.

Sein erster richtig großer Auftritt war nicht schlecht."Husky", wie Marcus Wallenberg von Freunden genannt wird, blickte zwar zunächst ein wenig schüchtern drein, doch schnell zog ein entspanntes Lächeln über sein Gesicht, als er unlängst zum neuen Chef von Investor ernannt wurde.Der Firmenname klingt wie der einer beliebigen Beratungsgesellschaft.Aber er verbirgt eine Machtfülle, wie sie sich in Europa kaum ein zweites Mal findet.Über das kleine Unternehmen, eine Investmentgesellschaft, kontrolliert die Industriellenfamilie Wallenberg nahezu alles, was in Schweden und darüber hinaus Rang und Namen hat: ABB, Astra, Ericsson, Electrolux, Saab, Scania, SKF, Stora, nicht jedoch Volvo.Doch das Machtzentrum der schwedischen Wirtschaft verliert an Einfluß.Der Grund für die Auszehrung hat einen Namen: Globalisierung.

Noch immer hat das, was in der Firmenzentrale in der Arsenalsgatan mitten im Stockholmer Zentrum ausgeheckt wird, Konsequenzen.Von hier aus werden Unternehmen mit einem Börsenwert von über 800 Mrd.Kronen (170 Mrd.DM) gelenkt.Und das seit Beginn dieses Jahrhunderts."Die halbe Börse gehört Wallenberg", frotzelten schon vor Jahren die Makler auf dem Parkett.Das Investor-Aktienportefeuille hatte Ende 1998 zwar nur einen Wert von 90,1 Mrd.Kronen.Aber das Geheimnis der Industriellenfamilie liegt darin, daß sie nicht mittels großer Kapitalbeteiligungen, sondern mit den Stimmrechten ihre Macht ausübt.So hält Investor beispielsweise nur acht Prozent des Kapitals am größten Konzern des Landes, dem Telekommunikationsriesen Ericsson; doch mit 42 Prozent der Stimmen kann man sich Gehör verschaffen.Doch die Zeiten haben sich verändert.

Die Globalisierung bedroht das Imperium.Die Geister, die einst die Familie rief, wird sie jetzt nicht mehr los.Durch Fusionen, an denen die Wallenberg-Sphäre selbst mitgestrickt hat, verringert sich ihr Einfluß.Als der schwedische Forstriese Stora mit der finnischen Enso zusammenging, halbierte sich die Investor-Beteiligung auf zehn Prozent.Nach der geplanten Eheschließung von Astra und der britischen Zeneca spielt Investor mit gerade fünf Prozent nicht mehr die erste Geige.

Familienoberhaupt Peter Wallenberg ist mit seinen knapp 73 Jahren immer noch graue Eminenz.Er wacht im Hintergrund über seine Stiftungen, die ihrerseits den Kern von Investor ausmachen.Doch ins Rampenlicht wurden sein Sohn Jacob und dessen Cousin Marcus geschickt.Der eine als Aufsichtsratsvorsitzender der SEB Bank und Vize bei Investor, der andere als neuer Investor-Chef."Wir denken viel über dieses Problem nach", sagt Marcus Wallenberg, wenn man ihn auf den schwindenden Einfluß anspricht.Aber ein Patentrezept für die Zukunft hat er noch nicht.Verkäufe sind notwendig.Als erster Aspirant gilt der LKW-Hersteller Scania, an dem man derzeit noch 51 Prozent des Kapitals und 52 Prozent der Stimmrechte hält.

"Was Wallenberg sagt, wird getan", hieß es lange Zeit in Schweden.Die Familie arbeitete hart, zeigte keinerlei Jet-Set-Allüren, verbarg ihr Privatleben weitgehend vor der Öffentlichkeit - und nutzte ihre Kontakte zur Politik.All das tut sie immer noch, doch das Motto gilt nicht mehr.Die zunehmende Respektlosigkeit wird durch Martin Ebner illustriert, den Schweizer Finanzjongleur, der sich in letzter Zeit mehr als nur einmal erdreistet hat, den Wallenbergs ihren angestammten Platz strittig zu machen.Bei ABB ist er mittlerweile zu einem der größten einzelnen Aktionäre geworden und wird jetzt gegen den Willen der Wallenbergs in den Aufsichtsrat gewählt.Auch Volvos überraschender und von Investor nicht sanktionierter Einstieg mit einer Sperrminorität bei Scania zeigt den Machtverlust.

Aufgebaut wurde das Imperium von Andre Oscar Wallenberg Anfang des 19.Jahrhunderts.Er war es, der die Stockholms Enskilda Bank gründete, die heute unter dem Namen SEB zu den größten Instituten des Landes zählt.Seine Söhne setzten die Expansion mit der Gründung von Asea und Atlas fort.Der Durchbruch an die wirtschaftliche Spitze gelang erst der dritten Generation.Für nur eine Krone kauften die Wallenbergs den verschuldeten Pharma-Hersteller Astra - bis heute eine der Juwelen im Wallenberg-Besitz.

In der Geschichte der Wallenbergs gibt es aber auch weniger ruhmreiche Kapitel.Während des Zweiten Weltkrieges spielte die Familie eine bis heute nicht völlig geklärte Rolle.Sie soll mit deutschen Firmen auch in den Kriegsjahren Geschäfte betrieben und so indirekt Hitlers Rüstungsindustrie geholfen haben.Das Schicksal des Diplomaten Raoul Wallenberg, der in Budapest mehrere zehntausend Juden vor den Nazis rettete, dann aber von den Russen verhaftet wurde und seitdem verschwunden ist, kann mit den dunklen Geschäften seiner Verwandten in Schweden im Zusammenhang stehen.Niemand weiß das genau, und die Familie hat zur Aufklärung der Ereignisse nur wenig beigetragen.

Marcus Wallenberg wird den Blick nicht zurück richten.Von ihm wird erwartet, daß er die Zukunft gestaltet."Ich habe zum Glück gute Diskussionspartner um mich herum", erklärte er kürzlich und schaute erwartungsvoll Richtung Percy Barnevik, den Aufsichtsratsvorsitzenden.Der frühere ABB-Chef soll den Kurs von Investor weiterhin mit abstecken.Barnevik betont, daß Marcus Wallenberg die Position nicht wegen seiner Herkunft bekommen habe.Allerdings werde man "natürlich mit besonders guten Voraussetzungen geboren, wenn man Wallenberg heißt", gibt Barnevik zu."Husky" soll es nun richten.

HELMUT STEUER (HB)

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