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Wirtschaft: Rohstoffkonzerne sollen ehrlich werden

EU fordert: Geldströme müssen offengelegt werden.

Brüssel - Dubiose Rohstoffgeschäfte mit korrupten Regierungen in Afrika oder Asien könnten bald der Vergangenheit angehören: Ein neues EU-Gesetz sieht vor, dass europäische Unternehmen ihre Finanzströme in diesen Ländern offenlegen müssen. Darauf einigten sich am Dienstagabend Vertreter des Europaparlaments mit der irischen Ratspräsidentschaft, die im Namen der 27 europäischen Regierungen verhandelt. Da der formale Beschluss durch die Institutionen nur noch als Formsache gilt, sprach der EU-Kommissar Michel Barnier, der die Regelung im Herbst 2011 vorgeschlagen hatte, von einer „neuen Ära der Transparenz“.

Den Mitgliedstaaten bleiben zwei Jahre zur Umsetzung der Richtlinie. Spätestens Mitte 2015 müssen Unternehmen dann über Gebühren für Lizenzen oder Genehmigungsverfahren sowie entsprechende Steuerzahlungen berichten. Auch wenn ein Konzern beispielsweise für die Verbesserung der Infrastruktur rund um sein Bergwerk, seine Ölförderanlage oder seine Forstbetriebe aufkommt, darf das nicht unerwähnt bleiben. „Alles, was mit der Ausbeutung der jeweiligen Ressourcen zusammenhängt, muss öffentlich gemacht werden“, erklärt die baden-württembergische Europaabgeordnete Franziska Brantner von den Grünen.

Ziel des Gesetzes ist, dass korrupte Regime nicht länger den Reichtum ihres Landes heimlich der Bevölkerung vorenthalten können. Die britische Labour-Europaabgeordnete Arlene McCarthy, die für das Parlament die Verhandlungen führte, verwies darauf, dass die Rohstoffimporte aus Afrika mit 393 Milliarden Dollar (rund 300 Milliarden Euro) im Jahr 2008 etwa neun Mal so hoch waren wie der Wert der internationalen Entwicklungshilfe mit 44 Milliarden Dollar: „Entwicklungsländer in aller Welt werden ihrer Chance beraubt, an den Erlösen aus dem Öl- und Gassektor teilzuhaben.“ Europäische Gesetzgebung könne einen Wandel in Entwicklungsländern herbeiführen, sagte Kommissar Barnier. „In rohstoffreichen Ländern werden lokale Gemeinschaften endlich genauer wissen, was ihren Regierungen gezahlt wird.“

Die Berichtspflicht gilt für Unternehmen mit Sitz in Europa, aber auch für Firmen von außerhalb, die an einer europäischen Börse gelistet sind. Sie setzt bei einem Geschäftswert von 100 000 Euro ein – ursprünglich sah Brüssel 500 000 Euro vor. Weil die Vereinigten Staaten im vergangenen Herbst jedoch ein ähnliches Gesetz verabschiedeten, wurden die Bestimmungen im Lauf der Verhandlungen angeglichen. „Unternehmen müssen nun nicht, wie viele von ihnen befürchtet hatten, in der EU und den USA zwei Mal unterschiedlich berichten“, sagte Brantner.

Als Erfolg feierten die Europaabgeordneten vor allem, dass nicht nur Angaben für ein Land als Ganzes gemacht werden müssen, wie dies beispielsweise die Bundesregierung gefordert hatte. Stattdessen muss jedes einzelne Geschäft, für das es einen Vertrag mit einer Regierung gibt, offengelegt werden. Ursprünglich sollte die Transparenzpflicht auch dann nicht gelten, wenn ein Land diese für illegal erklärt. Diese Ausnahmeregelung wurde vom Europaparlament jedoch zu Fall gebracht. „Das wäre eine Einladung an alle Diktatoren gewesen, ein solches Gesetz einzuführen“, argumentierte Brantner.

Die deutsche Wirtschaft, obwohl selbst kaum im Rohstoffsektor engagiert, bewertet gerade die projektbezogene Berichtspflicht kritisch. „Da hätten wir uns ein anderes Ergebnis gewünscht“, sagte Matthias Wachter vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Die detaillierten Angaben bedeuteten „einen wesentlich höheren bürokratischen Aufwand“, zudem sei im Sinne der Korruptionsbekämpfung kein direkter Abgleich mit den angegebenen Einnahmen eines Landes möglich. Christopher Ziedler

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