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Wirtschaft: Rürup will Witwenrente kürzen

Regierungsexperte warnt vor steigenden Beiträgen

Berlin - Die Bundesregierung muss nach Meinung des Wirtschaftsweisen Bert Rürup die Rentenleistungen für künftige Witwen und Witwer deutlich beschneiden. Um zu verhindern, dass die Rentenbeiträge bis 2020 über 20 Prozent steigen, werde „die Politik um eine Reform der Hinterbliebenenversorgung nicht herumkommen“, sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrates dem Handelsblatt. Die Höhe der Hinterbliebenenrente solle sich künftig nicht mehr an der Rente des Verstorbenen, sondern „an der Bedürftigkeit des Hinterbliebenen orientieren“.

Die Koalition hat sich die Stabilisierung der Lohnnebenkosten ausdrücklich zum Ziel gesetzt. Bereits mit der letzten Rentenreform hat der Bundestag die Regierung aufgefordert, einen Anstieg der Beiträge über 20 Prozent bis 2020 und 22 Prozent bis 2030 zu verhindern. Rürup hegt Zweifel, ob diese Ziele alleine mit der geplanten Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre erreicht werden können. Dies sei „ungewiss“, sagte er. Die Rentenversicherer hatten jüngst vor einem Anstieg der Beiträge von 19,5 Prozent auf 21,5 Prozent im Jahr 2020 und 24,5 Prozent im Jahr 2030 gewarnt.

Um eine solche Entwicklung zu verhindern, müsse Schwarz-Rot das im Koalitionsvertrag vereinbarte Einfrieren des Bundeszuschusses zur Rentenversicherung zurücknehmen, forderte Rürup: „Das war ein Fehler.“ Der Bundeszuschuss von zuletzt 55 Milliarden Euro solle wieder nach der „alten Berechnungsformel“ festgelegt werden: Bei steigenden Löhnen und steigenden Beitragssätzen würde sich auch der Anteil des Bundes erhöhen. Rürup stärkt damit Sozialminister Franz Müntefering (SPD) den Rücken, der mit Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) über die Umsetzung des Vorhabens streitet.

Auch die Hinterbliebenenrente müsste nach Rürups Ansicht aus Steuern finanziert werden, da es sich um eine Sozialleistung handele. Mit rund 40 Milliarden Euro macht sie im Moment ein Fünftel der Rentenausgaben aus. Das Volumen würde langfristig aber schrumpfen, wenn sich die Leistungen für Neuzugänge an der Bedürftigkeit orientierten. Die Arbeitgeber begrüßten Rürups Vorstoß. „Das findet unsere Unterstützung“, sagte Alexander Gunkel, Mitglied der Hauptgeschäftsführung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Er forderte, dass Einkommen von Hinterbliebenen stärker angerechnet und die Altersgrenze von 45 auf 52 Jahren angehoben wird.

Derweil wächst hinter den Kulissen der Druck für eine weitere Rentenreform in dieser Legislaturperiode. So wirbt der Kölner SPD-Abgeordnete Karl Lauterbach für eine radikale Umverteilung zwischen Gering- und Gutverdienern. Lauterbach zufolge ist die nach seiner Meinung nachweisbare geringere Lebenserwartung von Beziehern niedriger Einkommen versicherungsmathematisch auszugleichen. Deshalb will er deren Beiträge für die Alterskassen deutlich höher bewerten.

Mit einer solchen Änderung würde das bisherige Prinzip, demzufolge es im gesetzlichen System für den gleichen Beitrag die gleiche Monatsrente gibt, aufgegeben. In der SPD gibt es allerdings erhebliche Vorbehalte gegen den Plan. Mitte Januar will Lauterbach bei einem internen Hearing der Gewerkschaften versuchen, die Arbeitnehmervertreter zu überzeugen.

Karl Doemens (HB)

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