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Wirtschaft: Russische Firmen auf Einkaufstour

Sistema will angeblich bei der Deutschen Telekom einsteigen – und dafür die Mobilfunktochter abgeben

Berlin - Die Deutsche Telekom stemmt sich mit Macht gegen einen Einstieg des größten privaten russischen Mischkonzerns Sistema bei dem Bonner Unternehmen. Man arbeite bereits an einer Abwehrstrategie, sagten Mitglieder des Telekom-Aufsichtsrats dem Handelsblatt. Nach Angaben aus Aufsichtsrats- und Bankenkreisen wollen die Russen den deutschen Konzern unter ihre Kontrolle bringen. Ziel des russischen Unternehmens sei es, sich durch den Erwerb von 25 Prozent plus einer Aktie eine Sperrminorität auf der Hauptversammlung der Telekom zu sichern. Damit würde die Telekom zu einer Reihe von deutschen und europäischen Firmen gehören, an denen russische Investoren sich beteiligen.

Aufsichtsräte der Telekom zeigten sich im Gespräch mit dem Handelsblatt alarmiert über den „machtpolitisch motivierten Angriff einer russischen Clique“. Sie sprachen von „Industrie-Imperialismus“. Sistema gehört zu fast zwei Dritteln dem Milliardär Wladimir Jewtuschenkow. Russische Oligarchen seien für das Unternehmen eine weitaus schlimmere Bedrohung als „amerikanische Heuschrecken“, warnten Telekom-Aufsichtsräte. Der US-Finanzinvestor Blackstone war im April dieses Jahres mit 4,5 Prozent bei der Deutschen Telekom eingestiegen.

Ein ranghoher Vertreter von Sistema bestätigte der russischen Wirtschaftszeitung „Wedomosti“, dass der Moskauer Konzern „tatsächlich versucht, einen großen Anteil an der Deutschen Telekom zu bekommen, und darüber verhandelt“. Firmensprecherin Irina Potechina sagte: „Ich weiß von keinen Gesprächen mit der Deutschen Telekom. Aber Sistema beobachtet aktiv die globale Lage.“

AFK Sistema ist in den Bereichen Telekommunikation, Immobilien, Banken, Einzelhandel, Öl und Versicherungen aktiv. Im ersten Halbjahr setzte das Konglomerat 4,6 Milliarden Dollar (3,6 Milliarden Euro) um. Der frühere Telekom-Chef Ron Sommer gehört zu den Beratern von Sistema und sitzt im Verwaltungsrat. Herzstück des Konzerns ist der größte russische Mobilfunkanbieter MTS mit 58,2 Millionen Kunden. Vor einigen Jahren hielt die Telekom einen Anteil von 40 Prozent an MTS. Im Zuge des Schuldenabbaus trennte sie sich jedoch davon.

Nach Informationen des Handelsblatts haben Sistema und ihr Berater Sommer bereits einen detaillierten Übernahmeplan ausgearbeitet: In einem ersten Schritt würde das russische Konglomerat seine Telekommunikationsfirmen, darunter MTS, als Sacheinlage in die Deutsche Telekom einbringen. Die Telekom würde dafür mit 600 Millionen neuen T-Aktien bezahlen. Die Hauptversammlung hat die Telekom bereits ermächtigt, Sachanlagen mit neuen Aktien zu finanzieren. Der Anteil von Sistema an der Telekom würde danach etwa 15 Prozent erreichen. In einem zweiten Schritt würde Sistema die Aktien verpfänden und mit dem Geld T-Aktien von der staatseigenen KfW-Bankengruppe kaufen. Es gehe den Russen nicht allein darum, auf den Kapitalmärkten präsent zu sein, sondern um eine strategische Übernahme eines im Dax gelisteten Konzerns, hieß es in Bankenkreisen. Sistema könnte seinen Plan jedoch nur umsetzen, wenn die Bundesregierung, die direkt und indirekt über die KfW mehr als 30 Prozent an der Telekom kontrolliert, ihn unterstützt. Im Bundesfinanzministerium wurde dies zurückgewiesen. Im Umfeld von Bundeskanzlerin Angela Merkel hieß es, man beobachte den Prozess genau. Man stehe in engem Kontakt mit der Telekom, sehe aber im Augenblick keinen Handlungsbedarf. Damit unterstützt die Bundesregierung offenbar die Abwehrstrategie der Telekom. Das Unternehmen lehnte eine Stellungnahme ab.

Analysten in Moskau sind überzeugt, dass Sistema mit einem Telekom-Einstieg den Plan „vieler Oligarchen verfolgt, ihre Aktiva gegen Anteile an internationalen Großkonzernen einzutauschen“, wie das Brokerhaus Aton schreibt. Der Grund ist für die Analysten klar: 2008 stehe der Wechsel im Kreml an, und niemand wisse, wie es nach Putins Ausscheiden weitergehe. Gerade ist die russische Staatsbank VTB mit fünf Prozent beim Luft- und Raumfahrtkonzern EADS eingestiegen. Der Energiekonzern Gasprom ist mit der BASF an der Wingasgruppe beteiligt und nun auch Hauptsponsor beim Bundesligisten Schalke 04. Bereits seit 2003 ist der Millionär Rustam Axjenenko beim Modekonzern Escada engagiert. Die Kalinka-Gruppe hält die Mehrheit an der Kosmetikfirma Dr. Scheller – um nur einige Beispiele zu nennen. dri/mbr (HB)/Tsp

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