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Saab: Hoffen auf China

Saab liegt in den letzten Zügen. Nur noch 70 Autos verkauft der schwedische Hersteller pro Tag, der noch zu GM gehört. Und doch herrscht in der Zentrale in Trollhättan ein Betrieb, als handele es sich um eine Weltfirma.

Verunsicherte Regionalpolitiker, Zulieferer, Angestellte, Gewerkschaftler, alle geben sich in der Chefetage dieser Tage die Klinke in die Hand.

Klar ist: Der Luxusautobauer Koenigsegg wird Saab nicht zu Hilfe eilen. Der Betrieb zog sein Angebot am Dienstag zurück. „Der Ausstieg Koenigseggs kam für uns völlig überraschend“, gibt eine Saab-Managerin zu. Und das, obwohl sich GM bei den Verhandlungen sehr entgegenkommend gezeigt habe. Jetzt liegt der Ball wieder bei den Amerikanern – kommenden Dienstag tagt der Saab-Aufsichtsrat, dann soll es Klarheit geben.

Für Koenigsegg jedenfalls ist der Schuldige klar, macht man den Zeitfaktor verantwortlich. „Die schwerfüßige Bürokratie der EU und des schwedischen Schuldenverwaltungsamtes lief nicht so schnell, wie Saab blutet“, heißt es bei Koenigsegg. GM wollte eigentlich zum Jahresende Saab loswerden. Doch die EU-Kommission wollte einen bereits von der Europäischen Investment Bank (EIB) genehmigten Hilfskredit über 4,3 Milliarden Kronen erst Mitte Januar abnicken.

Saabs Verkaufszahlen befinden sich derweil im freien Fall. Im Spätherbst gingen sie um 60 bis 70 Prozent zurück, während sich die Konkurrenz allmählich zu erholen beginnt. Volvo etwa, noch zu Ford gehörend, machte im dritten Quartal nur noch 135 Millionen Dollar Minus nach 980 Millionen ein Jahr zuvor. Ohnehin gilt Saab als der kleinste Serienhersteller der Welt, der mit 3400 Beschäftigten wohl nur 50 000 Autos in diesem Jahr absetzen wird.

Die meisten Branchenkenner rechnen mit dem Aus. Bereits im Sommer hatte GM durchblicken lassen, dass man die Verkaufsstellen in den USA umgehend schließen werde, sollten die Verhandlungen mit Koenigsegg scheitern.

Saab könnte zwar unter GM als Premiummarke bei Opel integriert werden. Doch die US-Steuerzahler, denen GM zu 61 Prozent gehört, dürften kaum Verständnis dafür haben, warum Präsident Barack Obama an einer Marke im fernen Schweden festhalten will, an der GM noch nie einen Cent verdient hat. Zumal GM kürzlich gar die US-Marke Pontiac begraben musste, die in den Staaten viele Freunde hat. Hinzu kommen die Überkapazitäten, die GM in Europa ohnehin hat.

Optimisten sehen noch Rettungsmöglichkeiten in China. Die chinesische Regierung hat die Fahrzeugindustrie zur strategisch wichtigen Branche erhoben. Der chinesische Autokonzern BAIC, der sich beim Aufkauf durch Koenigsegg als zehnprozentiger Minderheitseigentümer angekündigt hatte, ist finanzstark und verkaufte allein zwischen Januar und August 800 000 Autos. Aktuell teilte BAIC lediglich kurz mit, man prüfe nun die Alternativen. Alternativ gilt der Hersteller Geely als Käufer, der mit Ford über die Übernahme von Volvo verhandelt.

Dennoch stehen die Fans treu zu Saab. Etwa André Muck aus Sachsen, der mit seinem Fanclub „Rettet Saab“ (Rescue Saab) weltweit Geld für die Rettung sammelt. „Es wäre furchtbar, wenn Saab stirbt“, sagt er. Auf seiner Homepage haben sich in kurzer Zeit 20 000 Freunde der schwedischen Autos aus aller Welt angemeldet. Vielleicht komme die Rettung ja doch aus China. „Mit einem Saab an der Ampel fühlen wir Fans uns auf eine bescheidene Weise besonders. Während 99 Leute die Autos vielleicht hässlich finden, gibt es immer einen, der sie liebt.“ Für ihn verkörpert Saab zudem das Freiheitsgefühl Skandinaviens und die Alternative zu den Großkonzernen aus Deutschland, Japan, Frankreich und Amerika. „Eine solche Marke kann man doch nicht einfach so fallen lassen“, findet Muck.

André Anwar[Stockholm]

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