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Wirtschaft: Schlechte Zahlen

So viele Hartz-IV-Empfänger gab es noch nie. Die steigenden Lebensmittelpreise treffen sie besonders stark

Berlin – Entgegen der insgesamt positiven Arbeitslosenstatistik beklagt der Deutsche Landkreistag (DLT) eine stetig wachsende Zahl von Hartz-IV-Empfängern. „Die Zahl der Menschen, die von Hartz-IV-Leistungen abhängig sind, hat einen absoluten Höchststand erreicht“, sagte der Präsident des Landkreistags, Hans Jörg Duppré, am Dienstag in Berlin. Demnach stieg die Zahl der Hilfeempfänger im April auf rund 7,4 Millionen.

Der Landkreistag kritisierte, dass die Zahl der Hartz-IV-Bezieher bislang auf die Langzeitarbeitslosen verengt werde. Ein-Euro-Jobber mit mehr als 15 Wochenstunden, Kranke oder Ausbildungsplatzsuchende etwa fänden sich dagegen nicht in der Arbeitslosenstatistik wieder, obwohl deren Lage oft nicht besser sei. Gleiches gelte für Erwerbstätige im Niedriglohnbereich, die zusätzlich auf Hartz IV angewiesen seien. „Es wird endlich Zeit, dass wir uns den vielschichtigen Problemen offen stellen und uns eingestehen, dass die Zahl der Personen wächst, die auf staatliche Hilfe angewiesen sind“, mahnte Duppré. Die hohe Zahl an Hilfsbedürftigen entwickele sich gegenläufig zur sinkenden Langzeitarbeitslosigkeit und nehme beständig zu. „Das muss nachdenklich machen.“ In der aktuellen Arbeitslosenstatistik seien von den 7,4 Millionen Hartz-IV-Sozialfällen lediglich rund 2,5 Millionen Menschen erfasst, berichtete der Sprecher des Landkreistags, Markus Mempel. Die von der Politik verkündete „positive, hoffnungsvolle Botschaft“ sei ein Trugbild. „Es geht nicht bergauf, ganz im Gegenteil.“

Hartz IV – offiziell ist von Arbeitslosengeld II die Rede – wurde Anfang 2005 eingeführt. Damals wurden Sozial- und Arbeitslosenhilfe zusammengelegt, in der Folge stieg die Zahl der registrierten Arbeitslosen auf mehr als fünf Millionen. Dieser Umstand trug maßgeblich zur Abwahl von Rot-Grün bei.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) regte am Dienstag an, eine Offensive für gering qualifizierte Arbeitslose und Beschäftigte zu starten. Die Kosten von schätzungsweise gut 500 Millionen Euro seien über die Überschüsse der Bundesagentur für Arbeit bis 2011 „spielend finanzierbar“, sagte das DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Nur jeder dritte Hartz IV-Empfänger, der sich aus der Arbeitslosigkeit abmelde, finde tatsächlich eine Beschäftigung. Und selbst davon sei jeder Vierte schon nach drei Monaten wieder arbeitslos.

Angesichts der für diese Woche erwarteten Preissteigerungen bei Milchprodukten forderten am Dienstag viele Politiker, die Hartz-IV-Leistungen zu erhöhen. Der SPD-Sozialexperte Ottmar Schreiner sagte der „Bild“-Zeitung, das Arbeitslosengeld II sei nicht mehr existenzsichernd, weil es keine Orientierung der Leistung an den Lebenshaltungskosten gebe. „Wenn jetzt die Lebensmittelpreise überproportional steigen, verringert sich der reale Wert von Hartz IV stark. Deswegen muss jetzt erst recht eine Korrektur vorgenommen und Hartz IV erhöht werden“, wird Schreiner zitiert. Der Grünen-Sozialexperte Markus Kurth sagte, die nun bei Milchprodukten erwartete Preissteigerung von bis zu 50 Prozent zeige deutlich, dass der Regelsatz (347 Euro im Monat) angehoben werden müsse.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla wies die Forderungen als absurd zurück. Das Arbeitslosengeld II könne sich nicht an einzelnen Produkten orientieren, die gerade teurer würden. Er wies darauf hin, dass die Höhe der Hartz-IV-Leistungen ohnehin alle zwei Jahre überprüft werde. „Und dabei wird auch die Markentwicklung insgesamt berücksichtigt.“

Der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Klaus Ernst, kritisierte, die Langzeitarbeitslosen erhielten eine Grundsicherung, die nicht den realen alltäglichen Bedarf decke, sondern „Armut per Gesetz“ sei. „Hartz IV muss überwunden werden“, forderte Ernst. Tsp

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