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Wirtschaft: Schmerzhafter Kompromiss

Die Einigung der Tarifpartner in der Bauindustrie löste bei den Unternehmen der Branche Ernüchterung aus. „Der Lohnanstieg passt nicht zur schlechten wirtschaftlichen Lage der Bauindustrie“, sagt Katja Klemm, Sprecherin des größten deutschen Baukonzerns Hochtief.

Die Einigung der Tarifpartner in der Bauindustrie löste bei den Unternehmen der Branche Ernüchterung aus. „Der Lohnanstieg passt nicht zur schlechten wirtschaftlichen Lage der Bauindustrie“, sagt Katja Klemm, Sprecherin des größten deutschen Baukonzerns Hochtief. Auch bei den mittelständischen Baufirmen ist die Stimmung gedrückt. „Der Lohnanstieg trifft uns hart“, sagt Wolfgang Paul, Geschäftsführer der Lukas Gläser GmbH, einem Baubetrieb mit 250 Mitarbeitern in Schwaben. „Das geht schon über die Schmerzgrenze hinaus.“ Lukas muss seinen Mitarbeitern ab September 3,2 Prozent mehr Lohn zahlen. Für die Monate Juni, Juli und August gibt es im Westen Einmalzahlungen von je 75 Euro. In der zweiten Stufe ab dem 1. April 2003 werden die Löhne und Gehälter in West und Ost um 2,4 Prozent angehoben.

Wie die gesamte Branche leidet auch die Lukas Gläser GmbH unter der seit Jahren sinkenden Nachfrage nach Bauleistungen. Als typisches Tiefbauunternehmen machen Geschäftsführer Paul vor allem die sinkenden Investitionen der öffentlichen Hand in die Infrastruktur zu schaffen. Dabei müssen sich die Westfirmen zunehmend gegen die Konkurrenz aus den neuen Bundesländern wehren. „Viele Ostfirmen arbeiten im Westen, weil es hier mehr lukrative Aufträge gibt“, sagt Paul. Da die Löhne im Osten niedriger sind, können sie ihre Westkollegen bei Ausschreibungen unterbieten. Der neue Tarifvertrag wird diesen Zustand noch verschärfen. Während der Mindestlohn im Westen 2002 wie der Tariflohn um 3,2 Prozent steigt, wird der Mindestlohn Ost für Hilfsarbeiter nur um 1,5 Prozent angehoben.

Die ostdeutschen Firmen stehen besonders unter Druck, da sie während des Wiedervereinigungsbaubooms enorme Überkapazitäten aufgebaut haben. „Die Preise für Bauarbeiten sind jetzt im Keller. Da können viele Betriebe kaum noch von leben“, sagt Bodo Pilgrimowski, Inhaber der Brandenburger Baufirma Pilgrimowski & Sohn mit 75 Beschäftigten. Die Anhebung der Löhne treffe aber alle Firmen gleichermaßen. Neben dem Mindestlohn für Ungelernte muss Pilgrimowski in Zukunft auch seinen Facharbeitern einen Mindestlohn garantieren. Ab September 2003 beträgt der Mindestlohn im Osten für gelernte Fachkräfte 10,01 Euro. Im Westen müssen mindestens 12,47 Euro gezahlt werden.

Die Bauarbeiter auf den Baustellen in Berlin freuten sich jedenfalls über das Verhandlungsergebnis. „Wir sind mit dem Abschluss sehr zufrieden“, sagt Vorarbeiter Rainer Bauer, der auf einer Baustelle am Potsdamer Platz arbeitet. „Wir haben vor allem für höhere Mindestlöhne im Osten gestreikt.“ Trotz der Einigung legten am Dienstag die Arbeiter in Berlin auf einigen Baustellen die Arbeit nieder. Am Mittwoch soll der Streik ausgesetzt werden. Endgültig beendet wird er erst, wenn die Gewerkschaftsmitglieder in einer Urabstimmung den Verhandlungsergebnissen zustimmen. „Die Zeichen dafür stehen gut“, sagt der Maler Richard Leuthold. msh/hin

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