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Aus ist's. Pleiten wie hier in Mitte sind in Berlin keine Seltenheit.

© Kai-Uwe Heinrich

Schulden: Viele Pleiten in Berlin - na und?

Ob Firmen oder Haushalte, Berlin ist weit vorne bei der Zahl der Insolvenzen. Jobverlust, Trennung oder Minijobs sind schuld - und die Gründerszene

Pleite, ja und? Berlin ist noch immer mit vorn bei der Zahl der Insolvenzen. Allenfalls in den abgehängten Grenzgebieten Deutschlands wie dem Saarland oder im chronisch kriselnden Bremen machen noch mehr Firmen die Werkstore dicht. Aber Berlin ist anders, wegen seiner vitalen Gründerszene – und zu der gehören Insolvenzen eben auch dazu.

Nur Minderheit lebt über ihren Verhältnissen

Und wer die Schuld an der Pleite bei den Menschen selbst sucht, liegt jedenfalls beim Blick auf betroffene Privatleute falsch: Am häufigsten zieht der Verlust des Jobs eine Insolvenz nach sich (19 Prozent), danach kommen gesundheitliche Probleme (15 Prozent) und fast ebenso oft die Folgen einer Trennung vom Partner. Nur jede zehnte Privatpleite ist einer „unwirtschaftlichen Haushaltsführung“ geschuldet. Alarmierend: Bei sieben Prozent aller Privatinsolvenzen reichte das Einkommen trotz (Mini-)Jobs nicht aus, um die nötigsten Kosten zu decken. Dies meldete das Statistische Bundesamt am Freitag. Interessant außerdem: Allein lebende Männer sind mit 30 Prozent die größte Gruppe der Pleitiers, obwohl ihr Anteil an der Bevölkerung viel niedriger ist (18 Prozent). Überdurchschnittlich betroffen sind auch allein erziehende Frauen: Sie stellten 14 Prozent der Besucher einer Schuldnerberatungsstelle, obwohl sie nur sechs Prozent der Bevölkerung ausmachen. Vergleichsweise selten überschuldet sind Paare ohne Kinder.

Nur im krisengeschüttelten Kolepott ist es noch schlimmer

In Berlin ist auch die Zahl der Privatinsolvenzen auf Rekordniveau. Allenfalls in Krisenmetropolen des entindustrialisierten „Kohlepotts“ wie Duisburg und Dortmund können noch mehr Menschen ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen, hat die Wirtschaftsauskunftei Creditreform ermittelt. Immerhin, das Statistische Landesamt Berlin meldete Anfang des Monats einen geringfügigen Rückgang der „überschuldeten Personen“: 64 weniger als im Vorjahreszeitraum seien es gewesen, 1119 insgesamt. Stärker noch war der Rückgang der Schulden: um fast 20 Prozent auf gut 80 Millionen Euro. Und nur ein Zehntel der Betroffenen waren „ehemals selbstständig Tätige“.

Firmenpleiten zeigen auch: Hier wird viel versucht

Das beruhigt, zumal Michael Bretz von Creditreform Insolvenzen jedenfalls von Selbstständigen oder Gründern nicht als Ausdruck regionaler Krisen wertet: „Wo nichts Neues entsteht, kann auch nichts pleite gehen“ und zum „Gründungsgeschehen“ in Zeiten von Technologieumbrüchen gehörten „Turbulenzen“ wie Insolvenzen einfach dazu. Fast zwei Drittel aller Insolvenzen kämen von vier bis sechs Jahre jungen Firmen. Anders ausgedrückt: Nicht jedes neue Produkt setzt sich durch, aber mit den Neugründungen wächst die Wirtschaft eben auch.

In Nordrhein-Westfalen ist es noch schlimmer

Deshalb besteht nicht unbedingt ein Widerspruch zwischen dem überdurchschnittlichen Wachstum der Berliner Wirtschaft und den vielen Insolvenzen. Zumal es Regionen gibt wie Nordrhein-Westfalen, die mit fast 100 Insolvenzen je 10.000 Firmen stärker betroffen sind als Berlin (91); der deutsche Durchschnitt liegt allerdings bei 60. Was dennoch zu denken gibt: Ein guter Teil des Wachstums liegt in Berlin in den Hoffnungswerten der Gründerszene. In Hightech-Hochburgen wie Bayern oder Baden-Württemberg glückt den Firmen fast alles, was sie anpacken. Die Insolvenzquote liegt dort bei gut einem Drittel des Berliner Wertes.

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