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Blick von oben. Die EZB soll ab 2013 die Banken in der EU kontrollieren.

© dpa

Schuldenkrise: Bankenaufsicht kommt später

Die EU-Finanzminister streiten auf Zypern über das neue Kontrollorgan bei der EZB. Auch vom deutschen Ressortchef Schäuble kommt grundsätzliche Kritik, die er auf diese Weise bislang noch nicht geäußert hatte.

In Zypern kennen sie sich aus mit Linien, deren Übertretung verboten ist. Seit 1974 trennt eine Demarkationslinie den türkischsprachigen Inselnorden vom griechischsprachigen Süden. Sie läuft auch mitten durch die Hauptstadt Nikosia, wo sich am Wochenende die EU-Finanzminister zum informellen Plausch getroffen haben, weil Zypern derzeit die Ratspräsidentschaft innehat. Auch Schwedens Ressortchef Anders Borg markierte dort gleich „mehrere rote Linien“, die seine Regierung beim Aufbau einer neuen europäischen Bankenaufsicht nicht überschreiten werde. Und mit seiner Kritik an den Plänen, die die EU-Kommission gerade einmal 72 Stunden zuvor vorgestellt hatte, war er nicht allein.

Das ist relevant, weil die bei der Europäischen Zentralbank anzusiedelnde Kontrollstruktur die Zustimmung aller 27 EU-Staaten erfordert. Die EZB soll zwingend zwar nur Banken in den 17 Ländern der Euro-Zone überwachen. Doch Staaten ohne die Gemeinschaftswährung wie Schweden sind ebenfalls betroffen, weil das Verhältnis zwischen EZB und der bereits existierenden, aber nicht besonders schlagkräftigen 27er-Bankenaufsicht EBA in London neu austariert werden muss. Finanzminister Borg argumentierte in Nikosia, eine strukturelle Mehrheit gegen sein Land in dem Aufsichtsgremium, in dem die von der EZB vertretenen Staaten dann zu einem einheitlichen Abstimmungsverhalten gezwungen seien, wäre für ihn „unakzeptabel“.

So konnte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nach der Sitzung zufrieden verkünden, dass er mit seiner Kritik nicht allein steht. Vor allem das von EU-Kommissar Michel Barnier vorgeschlagene Inkrafttreten am 1. Januar 2013 scheint inzwischen fast aussichtslos. Denn die Bedenken aus Berlin und einigen Nicht-Euro-Hauptstädten dürften wohl nur in mühsamen und langwierigen Verhandlungen zu überwinden sein. „Wenn möglich am 1. Januar“, sagte Schäuble zum Starttermin, „aber es wird nicht möglich sein.“ Sein französischer Kollege Pierre Moscovici hatte dagegen – weil der Start der Bankenaufsicht Ende Juni von den Staats- und Regierungschefs als eine Vorbedingung für die direkte Rekapitalisierung von Krisenbanken durch den ESM genannt worden war – in Nikosia mehrfach eine schnelle Einigung angemahnt: „Es geht nicht darum, zu hetzen, aber wir müssen den Takt der Reformen halten.“ Die Deutschen dagegen können mit der nach den jüngsten Ankündigungen der Europäischen Zentralbank beruhigten Lage gut leben.

„Wir haben gar nicht so grundsätzliche Bedenken gegen den Kommissionsvorschlag“, sagte Schäuble einerseits. So seien Barnier und er sich einig, dass die Zentralbank in der Praxis nicht alle 6000 Banken in der Euro-Zone kontrollieren werde, wohl aber die Befugnis habe, im Bedarfsfall einzuschreiten und „die Aufsicht an sich zu ziehen“, wie der deutsche Minister weiter sagte.

Auf der anderen Seite brachte Schäuble dann doch auch ganz grundsätzliche Kritik vor, die er auf diese Weise bislang noch nicht geäußert hatte: So habe er „erhebliche Zweifel, ob das Governing Board der EZB das letzte Wort haben kann“. Die Kommission will die Vermischung von Geldpolitik und Aufsichtspflichten dadurch verhindern, dass ein eigener Aufsichtsrat auch mit Vertretern der nationaler Bankenaufseher bei der EZB angesiedelt wird. Nach Schäubles Ansicht wäre das höchste Gremium der Notenbank diesem noch überstellt. Dem könnten die Nicht-Euroländer bestimmt nicht zustimmen. Man müsse schauen, dass sich „die Kluft zwischen den 17 und den zehn nicht vergrößert“. Er könne sich auch eine ganz neue Struktur vorstellen, an der die EZB nur beteiligt werde.

EU-Kommissar Barnier, dem nur EZB-Vizepräsident Vítor Constancio öffentlich beisprang, sagte zu der vielen Kritik: „Das ist meine Arbeit, ehrgeizige Vorschläge vorzulegen und danach für dynamische Kompromisse zu streiten.“ Schäuble sagte, Barnier erwarte nun „viel Arbeit“.

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