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Wirtschaft: Schweigen, zur Sicherheit

Deutsche Firmen sind in vielen hochgefährlichen Ländern tätig – den Schutz ihrer Mitarbeiter lassen sie sich eine Menge Geld kosten

Berlin - Geschäfte im Irak lohnen sich in der Regel nicht. Der Aufwand für die Sicherheit steht in keinem Verhältnis zu den Geschäftsaussichten. Nicht mehr. In den 80er Jahren lieferten deutsche Firmen jedes Jahr noch für rund vier Milliarden Euro Waren in den Irak. Im vergangenen Jahr waren es gerade noch 300 Millionen Euro.

Wer Geschäfte im Irak macht, tut das am liebsten mit der Hilfe einheimischer Fachkräfte. Von den rund 120 Deutschen, die sich derzeit im Irak befinden, sind nur 30 als Arbeitskräfte für deutsche Arbeitgeber vor Ort. Sie betätigen sich beim Wiederaufbau von Kraftwerken, Mobilfunknetzen, Krankenhäusern und Pumpen. Die beiden entführten Ingenieure der Leipziger Firma Cryotec, Thomas Nitschke und René Bräunlich, waren im Anlagenbau tätig.

Immerhin acht bis zehn Firmen aus Berlin sind im Irak tätig, sagt Christina Hufeland von der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Berlin Partner. Diese würden in der Regel mit einheimischem Personal arbeiten, was jedoch auch immer schwieriger geworden sei. „Anders als vor 20 Jahren fehlen heute Fachkräfte.“ Kriege, UN-Embargo und Terrorismus hätten viele qualifizierte Menschen aus dem Irak vertrieben.

Welche Firmen im Irak tätig sind, erfährt man weder bei den Berlin Partnern noch beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Auch beim Verband deutscher Maschinen- und Anlagenbau heißt es nur: „Kein Kommentar.“ Schweigen ist die beste Sicherheitsmaßnahme gegen die Entführungsindustrie.

In aller Welt tätige Konzerne wie Siemens, die Deutsche Post oder BASF unterhalten eigene Sicherheitsabteilungen, beobachten die Lage in den Zielländern und schulen ihre Mitarbeiter vor Auslandseinsätzen zu Risiken wie Entführung oder Erpressung. Über Details gibt es keine Auskunft, nicht mal darüber, wie viel Geld überhaupt für Sicherheit ausgegeben wird. „Die Sicherheit unserer Mitarbeiter hat oberste Priorität“, heißt es lapidar bei der BASF.

Die Lufthansa verrät immerhin die Kriterien, nach denen sie über Flugziele entscheidet. „Angesichts der Terroranschläge ist heute die ganze Welt eine Krisenregion“, sagt Lufthansa-Sprecher Thomas Jachnow. „Aber wir fliegen natürlich keine Ziele an, wo akute Gefahr für Leib und Leben von Crew und Passagieren besteht.“ Die Lufthansa reagiere flexibel auf Berichte der Regierung, von privaten Informationsdiensten und eigenen Sicherheitsfachleuten, die regelmäßig prüfen, wie sicher die Flugziele sind.

Das machen Volkswagen und Daimler- Chrysler ebenso. „Es gibt Länder, in die wir niemanden schicken“, sagt eine Daimler-Sprecherin. Der Irak gehöre dazu. In schwierigen Regionen wie Südafrika und Nigeria, wo Daimler-Chrysler produziert, würden die Mitarbeiter umfangreich geschult und mit den lokalen Gegebenheiten vertraut gemacht.

Eine der größten privaten Sicherheitsfirmen, von denen sich auch deutsche Unternehmen beraten lassen, ist Control Risks. „Man kann das Risiko nie eliminieren, nur minimieren“, sagt Deutschland-Chef Maxim Worcester. Dazu unterhalte die Firma eine Datenbank, die sie laufend aktualisiere. „Ich kann Ihnen genau sagen, wie viele Anschläge gestern in welcher Region passiert sind“, verrät Worcester. „Da sehen Sie zum Beispiel, dass im kurdischen Teil des Irak seit zwei Jahren fast nichts passiert ist.“ Die Bundesregierung mache es sich zu einfach, wenn sie deutschen Firmen empfehle, alle Mitarbeiter aus dem Irak abzuziehen. Die Unternehmen wollten Schutz und Beratung, keine Verbote. „Die Entscheidung sollte doch beim Unternehmen bleiben. Man will ja meistens nicht dorthin, sondern man muss, um das Geschäft nicht zu verlieren.“

Ob sich das Geschäft lohnt, ist im Einzelfall zu prüfen. Ein deutscher Weltkonzern, der nicht genannt werden will, baut für seine Leute in einigen Ländern „hohe Mauern um die Häuser; die kriegen spezielle Autos, die auf keinen Fall nach Geschäftswagen aussehen, überall haben wir Wachdienste engagiert, und wenn es sein muss, gibt es eingegrenzte und beschützte Wohnviertel für die Mitarbeiter“. Bevor man jemanden in so eine Gegend schicke, gebe es eine umfangreiche „interkulturelle Schulung“, damit sich die Kollegen angemessen verhalten. „Generell gilt: möglichst unauffällig sein“, heißt es beim DIHK.

Control Risks schult seine Kunden, um Entführungen und Raubüberfälle zu vermeiden. „In besonders gefährlichen Gegenden nimmt man den Hubschrauber und nicht das Auto. Wenn das doch sein muss, fährt man immer im Konvoi und nie nachts.“ Solche Ratschläge entsprächen zwar dem gesunden Menschenverstand, findet Worcester. „Doch wer länger dort ist, verfällt in Routine. Das Gefährlichste ist, jeden Morgen um die gleiche Zeit auf demselben Weg zur Arbeit zu fahren.“

Die Arbeitsgemeinschaft für Sicherheit der Wirtschaft (ASW), eine von mehreren Wirtschaftsdachverbänden getragene Lobby, will den Austausch von Informationen zwischen Regierungsstellen und privaten Firmen ausbauen. ASW-Geschäftsführer Berthold Stoppelkamp äußert Verständnis für die Reisewarnung des Auswärtigen Amts zum Irak. „Die Unternehmen wägen immer Risiken gegen rein wirtschaftliche Interessen ab“, meint Stoppelkamp. „Aus unserer Sicht sollte aber immer die Sicherheit der Mitarbeiter vorgehen.“ mit pet

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