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Wirtschaft: Sechs Liter Wasser für einen Bauarbeiter

„Schönwettergeld“ stößt aber auf wenig Gegenliebe

Berlin - Wenn auf der Autobahn A10 Bauarbeiter den frischen Straßenbelag verteilen, dann wird es heiß. Sehr heiß. Bei 35 Grad im Schatten kann die Arbeit in der Gluthitze auf dem Berliner Ring zur Tortur werden. „Wenn der Teer mittags geliefert wird, können wir nicht einfach sagen, es ist uns zu heiß“, sagt Rainer Penning, Berliner Betriebsratsvorsitzender der Eurovia Verkehrsbau Union GmbH. Stattdessen appelliert er an seine Kollegen, die in der prallen Sonne schwitzen: „Setzt euch was auf den Kopf, schmiert euch ein – und trinkt genug.“ Fünf bis sechs Liter Wasser sollten es sein, um bei Kräften zu bleiben. Der Arbeitgeber zahlt für die Erfrischungen. Bei Bedarf muss er auch die Sonnencreme bezahlen. Der Vorschlag, eine zusätzliche Pause einzuführen, stößt bei den Männern jedoch auf wenig Gegenliebe. „Die meisten haben Familie und wollen abends nicht länger arbeiten“, sagt Betriebsratschef Penning.

Die anhaltende tropische Hitze macht der Baubranche zu schaffen. Allein in Berlin-Brandenburg sind 50 000 Bau-Beschäftigte, davon 33 000 gewerbliche, betroffen. „Manches kann bei diesen Temperaturen nicht oder nicht so schnell erledigt werden“, räumt Axel Wunschel, Hauptgeschäftsführer des regionalen Bauindustrieverbands, ein. Auch die in der Fachgemeinschaft Bau organisierten kleinen Mittelständler aus Berlin und Brandenburg „versuchen, heil aus der heißen Zeit zu kommen“, wie Sprecher Heiko Wiegand sagt. Da liege es im Interesse der Unternehmen, pfleglich mit den Mitarbeitern umzugehen. „Wenn es in einem Rohbau bis zu 45 Grad heiß wird, kann kein Mensch mehr arbeiten“, sagt Wiegand.

Extremes Wetter sei für die Unternehmen aber nichts Neues, betonen die Verbände. Den Vorschlag der Gewerkschaft IG BAU, analog zum Schlechtwettergeld ein „Schönwettergeld“ für Bauarbeiter zu zahlen, die an heißen Tagen pausieren müssen, hält Industrievertreter Axel Wunschel deshalb für „eine nette, aber überflüssige Idee im Sommerloch“. Mit dem so genannten Bauzuschlag von knapp sechs Prozent des Tarifstundenlohns werde den Mitarbeitern der Einsatz unter freiem Himmel auch bei widrigem Wetter bereits zusätzlich vergolten.

„Da schlägt mein Herz auch für den Betrieb“, gibt Betriebsrat Penning zu. „Drei Monate Pause im Winter sind hart genug.“ Wenn es warm werde, sei auf dem Bau „Sturm- und Drang-Zeit“. „Wir können uns nicht leisten, im Sommer noch mehr Arbeitszeit ausfallen zu lassen.“ Auch Thorsten Lütgen, Oberbauleiter der Best Bau GmbH, kann einem Ausfallgeld für heiße Tage wenig abgewinnen: „Die Arbeitsbedingungen müssen stimmen. Das ist keine Frage des Geldes.“

Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes verweist auf den Tarifvertrag, der Arbeitgebern erlaubt, bei tropischen Temperaturen hitzefrei zu geben. Zudem sei es möglich, früher zu beginnen oder die Arbeit in die Abendstunden zu verlegen. Hier setzt die Lärmschutzverordnung allerdings Grenzen, weil nur zwischen sieben und 20 Uhr gebaut werden darf. „Wenn wir in der Stadt vor sieben anfangen, habe ich nach einer Stunde eine Anzeige der Anwohner am Hals“, sagt Bauleiter Lütgen. Ausnahmegenehmigungen seien kaum zu bekommen.

Die IG BAU appellierte am Montag an die Arbeitgeber, „das Leben und die Gesundheit der Menschen nicht über den Profit zu stellen“. In einer Mitteilung des Berzirksverbands Brandenburg („Lass Dich nicht verbrennen!“) empfiehlt die Gewerkschaft Mitgliedern, auf Sonnenschutz und Flüssigkeitszufuhr zu achten. Helmpflicht bestehe auch bei 35 Grad. „Arbeiten bis zum Umfallen“, so Geschäftsführer Jörg Schütte, „ist schlichtweg falsch.“

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