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Wirtschaft: Siemens: Auf dem Weg zur E-Company

Der Münchner Traditionskonzern Siemens AG will ein Internet-Unternehmen werden. "Wir haben die größte elektronische Baustelle der Welt aufgemacht und werden uns in Rekordzeit zur E-driven Company wandeln," versprach Konzernchef Heinrich von Pierer im Branchenjargon vor Journalisten in München.

Der Münchner Traditionskonzern Siemens AG will ein Internet-Unternehmen werden. "Wir haben die größte elektronische Baustelle der Welt aufgemacht und werden uns in Rekordzeit zur E-driven Company wandeln," versprach Konzernchef Heinrich von Pierer im Branchenjargon vor Journalisten in München. Binnen 18 Monaten würden rund zwei Milliarden Mark investiert, um Ein- und Verkauf, Logistik, Personalrekrutierung oder Weiterbildung verstärkt elektronisch zu regeln. Das könne auf lange Sicht drei bis fünf Prozent Kosteneinsparung auslösen. Auch kurzfristig seien schon ein- bis zweiprozentige Reduzierungen auf der Kostenseite erreichbar, schätzte von Pierer. Damit könne die Investitionssumme von zwei Milliarden Mark mindestens wieder eingespart werden. Allerdings werde es zu Folgeinvestitionen kommen.

Über zwei Drittel aller geplanten Einsparungen entfallen auf eine Ausweitung des konzernweiten Einkaufs per Internet. Heute werde erst ein Zehntel der Siemens-Bestellungen elektronisch abgewickelt. Binnen zwei bis drei Jahren soll diese Rate auf die Hälfte des Einkaufsvolumens steigen. Auch die Siemens-Verkäufe vom Handy bis zu Lokomotiv-Ersatzteilen sollen über Online-Shops stärker auf das Internet verlagert werden. Von den im kürzlich abgelaufenen Geschäftsjahr 1999/2000 (30. September) rund 150 Milliarden Mark Konzernumsatz seien etwa zehn Milliarden Mark auf elektronischem Wege angefallen. Künftig soll ein Viertel der Erlöse Internet-basiert sein, speziell im Geschäft mit Konsumgütern sogar die Hälfte.

Nicht nur Geschäftsbeziehungen, auch Wissen will von Pierer massiv vernetzen. Dazu sollen binnen Jahresfrist weltweit alle 440 000 Mitarbeiter einen Internet-Zugang erhalten und zu "Networkern" werden. Künftig müsse gelten, dass "Siemens weiß, was Siemens weiß," sagte von Pierer. Er erinnerte damit an das ironische Wortspiel "Wenn Siemens wüsste, was Siemens weiß", das den lange stockenden Wissentransfer im Konzern geißelt. Um das zu ändern steht den Siemensianern nun ein konzerninternes Netz offen, über das Mitarbeiter nicht nur technische Informationen sondern auch spezifisches Projektwissen austauschen. "Wir hatten ein Problem in Argentinen und binnen zwei Stunden die Lösung aus Indien," beschrieb eine Siemens-Mitarbeiterin die Vorteile moderner Kommunikation. Es sei entscheidend im richtigen Moment mit System und nicht per Zufallstreffer auf das Wissen des gesamten Unternehmens zurückgreifen zu können, betonte von Pierer. So habe der Elektronikkonzern jüngst nur deshalb einen Milliardenauftrag aus Malaysia erhalten, weil wichtige Informationen vom dänischen Siemens-Ableger abgerufen werden konnten.

Mit dem virtuellen Projekt will Siemens auch international an die Spitze der Internet-Ökonomie. Noch seien in den USA die Produktivitätsgewinne der Wirtschaft zurzeit etwa doppelt so hoch wie in Europa, was auf einen höheren Anteil des elektronischen Wirtschaftens zurückgehe. Siemens wolle bei diesem Wandel der Weltwirtschaft künftig nicht nur Mitläufer sondern Führer sein. Organisatorisch wird die virtuelle Baustelle vom neu errichteten so genannten Center of E-Excellence am Münchner Flughafen gesteuert. In den USA und Singapur sollen zwei weitere Zentren dieser Art entstehen. Ein Stellenabbau sei mit dem Projekt nicht verbunden, versicherte von Pierer.

Um die Ziele zu erreichen, sei auch der Zukauf von "E-Business-Firmen" in Europa und den USA geplant. Das könnte durch die aktuellen Kursstürze bei Internet-Firmen erleichtert werden. Konkrete Akquisitionsprojekte nannte Siemens nicht. In seine virtuelle Baustelle will der Konzern speziell junge Start-up-Firmen einbeziehen, kündigte von Pierer an, der das gesamte Projekt als Chefsache einstufte. Dabei macht das Münchner Center of E-Excellence mit seinen 600 Mitarbeitern, das vier Jungunternehmen als eine Art Firma in der Firma unter sein Dach aufgenommen hat, einen Anfang. Ein Pfeiler der Internet-Strategie ist auch der junge Siemens-Bereich Siemens Business Services (SBS), der für den eigenen Konzern und Dritte firmenspezifische Dienstleistungen rund um das Netz der Netze anbietet. Dass der Konzern damit auf dem richtigen Weg ist, zeigt die SBS-Entwicklung. Vor fünf Jahren ist der Bereich mit einem Umsatz von rund einer Milliarde Mark gestartet. Zuletzt hat er sich auf etwa elf Milliarden Mark vervielfacht. Die Zahl der Mitarbeiter wuchs parallel von gut 2000 auf 33 000 Frauen und Männer. In drei Jahren sollen die SBS-Erlöse auf rund 28 Milliarden Mark klettern.

tmh

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