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Siemens baut im Werk Moabit die effizientesten Gasturbinen der Welt. Insgesamt beschäftigt der Konzern 12.774 Mitarbeiter in der Stadt.

© Mike Wolff

Siemens-Betriebsräte: Die Heimat im Blick

Künftig wollen sich die Siemens-Betriebsräte früher einmischen und Arbeitsplätze hierzulande sicherer machen.

Berlin - Der Siemens-Betriebsrat möchte die Ausrichtung des Unternehmens künftig stärker mitbestimmen und fordert von Konzernchef Peter Löscher eine klare Deutschland-Strategie. „Die Fokussierung auf die neuen Märkte darf nicht zulasten der Arbeitsplätze hier zu Lande gehen“, sagte Gesamtbetriebsratsvorsitzender Lothar Adler im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Um in Schwellenländern wie Brasilien, Russland, Indien und China erfolgreicher zu sein, entwickelt Siemens mehr Produkte vor Ort, die an die dortigen Verhältnisse angepasst sind und zum Beispiel einfacher und erschwinglicher sind als Produkte für entwickelte Märkte. „Wir befürchten, die Entwicklung geht in die Richtung billiger statt besser“, kritisiert Adlers Stellvertreterin Birgit Steinborn. „Wir brauchen aber eine Strategie, die lautet: besser statt billiger, damit wir auch in den entwickelten Märkten Marktanteile gewinnen.“

Vor zwölf Tagen hatte Siemens-Chef Peter Löscher die Bilanz für das abgelaufene Geschäftsjahr vorgelegt. Siemens hat die Krise überwunden, ebenso wie die Schmiergeldaffäre und den Konzernumbau. „Wir sind jetzt wieder ein ganz normales Unternehmen“, sagte Löscher. Am heutigen Dienstag treffen sich mehr als 500 Betriebsräte von Siemens in Berlin, um über ihre Arbeit zu beraten.

„Wir wollen mehr agieren als reagieren“, gibt Gesamtbetriebsratschef Adler die Linie vor. Der Betriebsrat werde sich früher in die wirtschaftliche Planung einschalten und, wo nötig, alternative Vorschläge entwickeln, um Arbeitsplätze in Deutschland zukunftsfähig zu machen.

„Dass Siemens keine neuen Sonderprogramme auflegt, heißt nicht, dass die Beschäftigten nun vor Rationalisierungen und Verkäufen von Unternehmensteilen sicher sind“, warnt Adler. „Es heißt nur, dass der normale Kapitalismus bei Siemens eingekehrt ist.“ So könne das Unternehmen jeden Euro nur einmal ausgeben. Und wenn immer mehr Entwicklungsleistung und Innovationen im Ausland erbracht würden, fehle das Geld hierzulande. „Wir brauchen eine strategische Personalplanung“, fordert Birgit Steinborn. „Siemens rühmt sich, grün, innovativ und ein Pionier zu sein. Das sollte auch bei der Qualifizierung und Weiterbildung der Mitarbeiter gelten.“ Bisher habe im Management vor allem der Personalabbau auf der Agenda gestanden. Dank einer neuen Vereinbarung mit dem Betriebsrat sind betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen. „Jetzt muss das Management neue Ideen für das Personal entwickeln, das an einigen Stellen vielleicht nicht mehr gebraucht wird“, sagt Steinborn.

Adler sieht dabei auch die Politik in der Pflicht. „Siemens qualifiziert seine Facharbeiter und bildet über den eigenen Bedarf aus. Aber was macht eigentlich die Bundesregierung in Sachen Weiterbildung und Qualifizierung?“ Um die Herausforderungen des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels zu bewältigen, „wird es ohne Unterstützung der Politik nicht gehen“, meint Adler.

Aber auch bei Siemens sieht er noch Handlungsbedarf: „Wir vermissen in dem neuen Zielsystem der Konzernspitze eine klare Vorgabe für das organische Wachstum in Deutschland, an der sich die Manager messen lassen müssen“, sagt Adler. In der Krise hätten Betriebsrat und Unternehmensleitung gut zusammengearbeitet und dank Kurzarbeit die Arbeitsplätze in Deutschland halten können. „Jetzt ist die Frage, wie verhält sich Herr Löscher in normalen Zeiten?“ Erster Test könnte die Leiharbeit sein. „Vor der Krise hatten wir 12 000 Leiharbeiter, dann sank die Zahl auf 4000, jetzt sind es schon wieder 6500“, sagt Steinborn. Löscher habe eine Vereinbarung angeregt, wonach Leiharbeiter nach 18 Monaten fest ins Unternehmen übernommen werden können. „In der Realität gestaltet sich das allerdings schwierig“, beklagt Steinborn.

Gute Chancen sieht Adler für Siemens in Berlin, den größten Fertigungsstandort des Konzerns mit rund 12 700 Mitarbeitern. „Berlin wird in seiner Bedeutung eher noch wichtiger für das Unternehmen“, meint Adler. Wegen der Nähe zur Bundesregierung zögen immer mehr Zentralstellen nach Berlin, zuletzt die für den Bahnbereich. Zudem investiere der Konzern viele Millionen Euro in die Erweiterung und Modernisierung der Fabriken wie das Schalt- und das Gasturbinenwerk.

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