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Wirtschaft: Siemens bremst den Stellenabbau

Betriebsrat: In der verlustreichen Netzwerksparte fallen nur noch 1100 statt 2300 Arbeitsplätze weg

München (nad). Beim umstrittenen Sanierungsprogramm für die krisengeschüttelte Netzwerksparte (ICN) des Elektronikkonzerns Siemens zeichnet sich eine Lösung ab. Für die Mitarbeiter fallen die Sparmaßnahmen aller Voraussicht nach glimpflicher aus als geplant. Auf Druck der Belegschaft muss das Unternehmen mehr als die Hälfte der geplanten Entlassungen zurücknehmen.

Statt 2300 Mitarbeitern müssen Anfang kommenden Jahres nur 1100 Mitarbeiter in eine betriebsinterne Beschäftigungsgesellschaft wechseln, sagte der stellvertretende BetriebsratsVorsitzende Leo Mayer am Dienstag. Dort erhalten sie maximal 24 Monate lang noch 85 Prozent ihres Gehalts. „Für die restlichen 1200 Mitarbeiter ist die Kündigung erst einmal vom Tisch", sagte Mayer. Details der Vereinbarungen zwischen Management und Betriebsrat sollen den Mitarbeitern bei einer Betriebsversammlung am Donnerstag mitgeteilt werden.

Für den Erhalt ihres Arbeitsplatzes müssen die Mitarbeiter von ICN finanzielle Einschnitte hinnehmen: Alle 5000 Beschäftigten am Münchner Standort sollen ihre Arbeitszeit ohne Lohnausgleich um zweieinhalb Stunden pro Woche verkürzen. Mayer zufolge können auf diese Weise etwa 350 Arbeitsplätze eingespart werden. Außerdem sollen Aufträge für fremde Firmen künftig wieder von Siemens-Mitarbeitern erledigt werden. Das soll eine Ersparnis von 200 Stellen bringen. Ältere Mitarbeiter sollen mit freiwilligen Aufhebungsverträgen zum Gehen bewegt werden. In der Konzern-Zentrale will man den Abschluss der Verhandlungen noch nicht bestätigen. „Wir sind auf einem guten Weg", sagte ein Konzernsprecher.

Der Streit zwischen Management und Mitarbeitern über die geplanten Massenentlassungen bei ICN, der in seiner Schärfe für den Konzern ungewöhnlich ist, zieht sich schon seit dem Sommer hin. Damals hatte Siemens angekündigt, mehr als 2000 Beschäftigte des ICN-Hauptstandorts in München in einer Beschäftigungsgesellschaft bei Nullkurzarbeit oder bei einer Leiharbeitsfirma unterzubringen. Seitdem gab es zahlreiche Verhandlungsrunden zwischen Konzern-Vorstand und Betriebsrat, die jedoch keine Ergebnisse brachten. Bewegung in die festgefahrene Situation kam erst mit den bundesweiten Massendemonstrationen von Siemens-Mitarbeitern vor knapp zwei Wochen. Dabei war die IG-Metall lautstark für die Siemens-Beschäftigten in die Bresche gesprungen. Der Siemens-Vorstand hatte das Verhalten der IG-Metall als „kontraproduktiv" bezeichnet und an die Mitarbeiter appelliert, sich nicht dem Kurs der Gewerkschaft anzuschließen.

Der Betriebsrat und die IG-Metall hielten aber zusammen: „Ohne die IG-Metall und die Demonstrationen wären wir nicht zu diesem Ergebnis gekommen", ist Betriebsrat Mayer überzeugt. Nachdem Siemens seine Sparte ICN radikal umgebaut und Entwicklung, Produktion, Vertrieb und Administration seiner drei Geschäftsfelder gebündelt hat, ist die Sanierung nun weitgehend abgeschlossen. Insgesamt hat Siemens bei ICN seit April 2001 mehr als 11000 Stellen abgebaut und damit auf den Einbruch im Geschäft mit Telekommunikations-Technik reagiert. Allein im dritten Quartal verbuchte ICN einen Verlust von 366 Millionen Euro. Analysten rechnen damit, dass das Ergebnis im vierten Quartal noch schlechter ausfallen wird. Nach ICN-Chef Thomas Ganswindt müssten die Sanierungsmaßnahmen ausreichen, um die Durststrecke bis zum Anspringen der Konjunktur zu überwinden.

Zu tun gibt es bei Siemens in Sachen Sanierung trotzdem noch eine Menge: Im kränkelnden Mobilfunkbereich ICM müssen insgesamt knapp 5000 Mitarbeiter gehen. Ein eisiger Wind weht auch beim IT-Dienstleister Siemens Business Services, in der Gebäudetechnik-Sparte Siemens Building Technologies und im Bereich Automatisierung und Steuerung. In diesen Sparten will Siemens mehrere tausend Stellen abbauen.

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