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Siemens-Skandal: Mindestens 30 Mitarbeiter wussten Bescheid

In die Affäre um mutmaßliche Schmiergeldzahlungen bei Siemens soll auch die Anti-Korruptionsabteilung des Konzerns verwickelt sein. Insgesamt 30 Mitarbeiter hätten von der Existenz der schwarzen Kassen gewusst.

München - Zwei Führungskräfte aus der Abteilung für Korruptionsbekämpfung seien über die Schwarzgeldkonten im Bilde gewesen und hätten sogar versucht, deren Existenz zu vertuschen, berichtete die "Süddeutschen Zeitung" unter Berufung auf Aussagen eines Beschuldigten bei der Münchner Staatsanwaltschaft. Insgesamt hätten mehr als 30 Mitarbeiter des Konzerns von den schwarzen Kassen gewusst. Siemens wollte unter Verweis auf die laufenden Ermittlungen keine Stellungnahme abgeben.

Als 2002 die Gefahr der Entdeckung bestanden habe, soll eine der Führungskräfte darauf gedrungen haben, die österreichischen Konten zu schließen und sich ein anderes Modell zu überlegen, schrieb das Blatt weiter. Die andere Führungskraft habe 2006 dazu geraten, im Falle einer Ermittlung zu schweigen. Die so genannte Abteilung Compliance bei Siemens hat neben der Korruptionsbekämpfung die Aufgabe, Gesetzesverstöße zu verhindern oder abzustellen. Sie berichtet direkt an den Vorstand und den Aufsichtsrat. Derartige Abteilungen gibt es auch bei dem ebenfalls skandalgeschüttelten Volkswagen-Konzern oder der Deutschen Bahn.

Insgesamt habe der Beschuldigte, der zusammen mit fünf weiteren ehemaligen und aktuellen Siemens-Mitarbeitern in Untersuchungshaft sitzt, ausgesagt, dass mehr als 30 Manager und Angestellte von den schwarzen Konten gewusst hätten. Die Auszahlungen seien demnach vor allem über leitende Beschäftigte gelaufen. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass auf diese Weise mindestens 200 Millionen Euro Firmengelder veruntreut wurden.

Siemens möglicherweise kein Einzelfall

Aktionärsschützer forderten unterdessen die vollständige Aufklärung der Schmiergeld-Vorwürfe. "Das muss personelle Konsequenzen haben", sagte der Sprecher der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK), Michael Kunert, der "Berliner Zeitung". "Bei Siemens muss aufgeräumt werden. Es muss von unten bis nach oben durchleuchtet werden, wer von der Affäre etwas gewusst und nichts weiter gemeldet hat. Und wer davon gewusst hat, der muss gehen", sagte er. Der Aktionärsschützer sagte jedoch, Siemens sei möglicherweise kein Einzelfall. "Es ist zumindest befremdlich, dass jetzt nach VW mit Siemens der zweite große Dax-Konzern in interne Korruptionsaffären verwickelt worden ist." Fraglich sei, ob die internen Kontrollmechanismen ausreichten.

Erst am vergangenen Donnerstag hatte Siemens betont, Gesetzesverstöße im In- und Ausland nicht zu dulden und angekündigt, die Verhaltensregeln für Mitarbeiter zu verschärfen. Zudem solle eine Arbeitsgruppe unter Leitung des Chefs der Anti-Korruptionsabteilung eingesetzt werden, um alle "Unregelmäßigkeiten schonungslos aufklären und ahnden" zu können. An der Börse sorgten die neuen Vorwürfe für einen weiteren Kursrutsch der Siemens-Aktie. Das Papier fiel bis zum Mittag um mehr als 1,7 Prozent auf gut 73 Euro. Die Aktie ist wegen der Schmiergeldvorwürfe seit Tagen auf Talfahrt. (tso/AFP)

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