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© dpa

Siemens: Vor der Kurskorrektur

Siemens muss stärker an die Kosten ran, sagt der Finanzchef. Betroffen ist vor allem das Industriegeschäft.

Berlin - Es ist nie zu spät und selten zu früh. So etwas ähnliches mag sich Siemens-Finanzchef Joe Kaeser gedacht haben. Am Mittwoch – und damit knapp einen Monat vor Ablauf des aktuellen Geschäftsjahres am 30. September – gab der schnauzbärtige Bayer schon einmal einen Ausblick, welche schwierige Zeiten dem Technologiekonzern in der näheren Zukunft bevorstehen.

Siemens müsse sich auf eine längere Durststrecke in seinem wichtigen Industriegeschäft einstellen, sagte Kaeser auf einer Analystenveranstaltung in London. Zwar habe der Konzern bereits auf einen abrupten Umsatzeinbruch in den Bereichen Industrieautomatisierung, Antriebstechnik und bei der Lichttechniktochter Osram reagiert, nun drohten jedoch weitere Kürzungen. „Die Kostenstrukturen müssen dem mittelfristigen Marktniveau angepasst werden“, hieß es in der Präsentation, die Kaeser vorstellte.

Was das konkret bedeutet, wollte das Unternehmen in München am Mittwoch jedoch nicht sagen. „Die Aussagen basierten allesamt auf bereits bekannten Quartalszahlen“, erklärte ein Sprecher lediglich. Dass aus den Aussagen ein weiterer Stellenabbau herauszulesen sei, wollte er nicht bestätigen. Es bleibe bei den 1600 Arbeitsplätzen, die der Konzern bis Ende September vor allem in den Industriesparten im Ausland abbauen will.

Ebenso sei die Überlegung, sich mittelfristig von unrentablen Bereichen zu trennen, derzeit kein Thema. „Wir stehen zu unserem Kerngeschäft“, erklärte der Sprecher. Auch Siemens-Betriebsrat Lothar Adler hatte kürzlich verkündet, dass es keine großen Restrukturierungen im Konzern geben werde – es sei denn, die Lage auf dem Weltmarkt verschlechtere sich dramatisch.

Danach sieht es nun zwar nicht aus. Analysten gehen trotzdem davon aus, dass es bei Siemens über kurz oder lang zu Restrukturierungsmaßnahmen kommen wird. „Ich kenne keinen seriösen Beobachter, der davon ausgeht, dass das Industriegeschäft so bald wieder das Niveau von 2008 erreicht“, sagte zum Beispiel Frank Rothauge, Finanzanalyst bei der Privatbank Sal. Oppenheim in Frankfurt am Main. Ergo müsse sich das Unternehmen mit der neuen Situation arrangieren. Das bedeute, dass Siemens wohl früher oder später Maßnahmen ergreifen müsse, um die Kosten in den betroffenen Bereichen zu drücken. Konkret heißt das: „Es könnte die Notwendigkeit entstehen, die Produktionskapazitäten im Industriebereich herunterzufahren“, sagte Rothauge. Im Ernstfall könne das so weit gehen, dass Werke geschlossen werden müssten. Besonders ausländische Investoren übten gerade Druck auf Siemens aus und hofften, dass es im neuen Geschäftsjahr nach der Bundestagswahl zu umfangreichen Kurskorrekturen kommen wird. Dass sich Siemens von schlecht laufenden Bereichen trennen könnte, hält aber auch Rothauge für nicht sehr wahrscheinlich.

In dem Bereich Industrie werden bei Siemens so unterschiedliche Geschäfte wie Industrieautomatisierung, Verkehrs- und Gebäudetechnik sowie der Stahlwerksbau zusammengefasst. Auch die Lichttechniker von Osram gehören dazu. In Berlin arbeiten bereits seit vergangenem November rund 1000 der 2000 Osram-Mitarbeiter kurz. „Die Zahl schwankt aber“, sagte Osram-Sprecher Till Mohr. Wie viele es jeweils sind, hänge von der aktuellen Auftragslage ab. Generell seien bei dem Lichttechnikunternehmen, das momentan stark unter dem Auftragsrückgang aus dem Autogeschäft leiden, keine weiteren Kürzungen oder Einsparungen geplant.

Welche Auswirkungen die längere Durststrecke für seinen weltweit größten Fertigungssttandort Berlin bedeutet, wo Siemens zum Beispiel Gasturbinen baut, wollte der Konzern am Mittwoch nicht erläutern. Das Unternehmen teilte öffentlich in der Regel keine Zahlen zu einzelnen Standorten mit, sondern nur zu einzelnen Sparten.

Die Börse reagierte auf die Präsentation des Siemens-Finanzchefs kaum. Bis zum späten Nachmittag legten die im Dax notierten Siemens-Papiere knapp 1,3 Prozent auf 62,77 Euro zu.

Vielleicht auch, weil Joe Kaeser in London eines nicht in Frage stellte: Die Prognose für das laufende Geschäftsjahr. Nach wie vor hält Siemens daran fest, einen operativen Gewinn von 6,6 Milliarden Euro einzufahren – nachdem der Betrag im Frühjahr von acht Milliarden Euro nach unten korrigiert worden war.

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