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Führungswechsel in der IG Metall: So viel Demokratie war nie

Berthold Huber, Chef der Gewerkschaft IG Metall, tritt ab. Detlef Wetzel, der am Montag zum Nachfolger gewählt werden soll, will die einst zentralistisch geführte Organisation weiter umbauen. Sein Motto: Mehr Mitbestimmung.

Klaus Zwickel nutzte die Gelegenheit für einen kleinen Scherz. Ob er sich Jörg Hofmann als Chef der IG Metall vorstellen könne. „Ja, sicher. Wenn der vorher Deutsch lernt.“ Tatsächlich wird Hofmann, seit zehn Jahren Bezirksleiter der baden-württembergischen IG Metall, an diesem Montag zum Vorsitzenden der größten europäischen Gewerkschaft gewählt – zum zweiten Vorsitzenden. Erster Vorsitzender und damit Chef der knapp 2,3 Millionen Metaller wird Detlef Wetzel. Da Wetzel jedoch demnächst 61 Jahre alt wird, führt er die Gewerkschaft nur zwei Jahre, bis zum nächsten ordentlichen Gewerkschaftstag 2015. Dann steigt Hofmann auf. Der Schwabe aus dem Rems-Murr-Kreis hat also noch etwas Zeit, um Hochdeutsch zu lernen.

„Jetzt mach du weiter.“ Berthold Huber (rechts) geht in Rente, die IG Metall führt in den nächsten Jahren Detlef Wetzel. Foto: Imago
„Jetzt mach du weiter.“ Berthold Huber (rechts) geht in Rente, die IG Metall führt in den nächsten Jahren Detlef Wetzel. Foto: Imago

© IMAGO

Mitten in der vierjährigen Wahlperiode treffen sich die Delegierten der Gewerkschaft an diesem Sonntag zu einem zweitägigen, außerordentlichen Kongress in Frankfurt am Main. Der Termin außer der Reihe hat einen einfachen Grund: Berthold Huber ist müde, die IG Metall braucht eine neue Führung.

2003, nach dem verlorenen Arbeitskampf in Ostdeutschland und der Führungskrise um Jürgen Peters und Klaus Zwickel, wurde Huber zweiter Vorsitzender, seit 2007 ist er Chef. Es reicht jetzt. Fast nie ein freies Wochenende, unzählige Gremiensitzungen und Verpflichtungen als Gewerkschafter, Aufsichtsrat und Politikberater, ständiges Reisen im In- und Ausland – die 35-Stunden-Woche hat Huber nach zwei Tagen erreicht. Der Jesuitenschüler Huber würde den Karren weiter ziehen, wenn das denn nötig wäre. Aber der IG Metall geht es gut, und Huber hat die Nachfolge geregelt. Am Montag kommt Angela Merkel nach Frankfurt und verabschiedet ihn, auf den sie sich bei der Bewältigung der Krise 2008/2009 so gut verlassen konnte und von dem Gesamtmetallpräsident Rainer Dulger sagt, er sei „ein ganz Großer der Arbeiterbewegung“.

Die Schuhe für den Nachfolger sind also groß – und doch nicht zu groß für Detlef Wetzel. Der Siegerländer hat gemeinsam mit Huber in den vergangenen sechs Jahren die IG Metall umgebaut und dabei einen Kulturwandel geschafft. Geprägt durch die Alleinherrscher Franz Steinkühler und Klaus Zwickel war die IG Metall über viele Jahre eine zentral gesteuerte Organisation, in der Mitbestimmung so üblich war wie in einer Aldi-Filiale. Das Duo Huber/Wetzel hat das – aus verschiedenen Gründen – geändert.

Das Leben der Metaller ist bunter geworden, ein Tarifvertrag passt nicht mehr für Dutzende von Branchen und zehntausende Betriebe. Um aber auch tarifpolitisch auf die Belange eines Betriebs eingehen zu können, musste die IG Metall Kompetenzen an Betriebsräte und Belegschaften abgeben. Gleichzeitig machte vor allem Wetzel aus diesem Trend ein Gewinnerthema für die Organisation. Schon vor sechs, sieben Jahren, damals noch als Bezirksleiter in NRW, mobilisierte Wetzel unter der Parole „Tarif aktiv“ die Kollegen direkt in den Unternehmen. „Früher erlebten viele Tarifpolitik nur in der Tagesschau“, erläuterte Wetzel die neue Strategie.

„Heute bekommen Belegschaften mit vielen Gewerkschaftsmitgliedern gute Tarife – und umgekehrt.“ Das Kalkül ging auf. Mit mehr Beteiligung wurde die IG Metall attraktiver und gewann Mitglieder. „Besser statt billiger“ hieß ein anderes Projekt, mit dem Wetzel die Gewerkschaft und ihre Betriebsräte auf Trab brachte. Wie der Name schon sagt, ging es um eine Alternative zur schlichten Kostensenkungspolitik, mit der die Arbeitgeber die IG Metall nervten. Statt der Belegschaft ans Geld zu gehen, sollten die Firmen ihre Innovations- oder Marketingschwäche bekämpfen – natürlich unter Beteiligung der Arbeitnehmer. Auch hier ging die Rechnung auf: Die Metall- und Elektroindustrie ist heute wettbewerbsfähiger als vor der Krise 2008/2009. Trotz der hohen Tariflöhne – und auch wegen extrem flexibler Arbeitszeiten, die heute möglich sind. Eine 35-Stunden-Woche für alle wird es nie wieder geben. Heute sind vielmehr betriebliche Gestaltungsmöglichkeiten von Betriebsräten und Gewerkschaft gefragt: mehr Mitbestimmung. Da wird das neue Spitzenduo in den Auseinandersetzungen mit den Arbeitgebern einen Schwerpunkt setzen, schließlich sind „Arbeitnehmer Experten in Sachen Arbeit“. Und deshalb „steht Beteiligung und mehr Demokratie ganz oben auf der Agenda der IG Metall“. Altersgerechtes Arbeiten und flexible Übergänge in die Rente sind weitere Themen, die den Mitgliedern auf den Nägeln brennen. Und für die Wetzel/Hofmann die Organisation mobilisieren werden. Die Mittel dazu sind vorhanden. „Ich kenne keine Großorganisation, die besser dasteht“, freut sich Berthold Huber über die Früchte seiner Arbeit.

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