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Social Games: In einer anderen Welt

In Kreuzberg baut ein Start-up am virtuellen Universum Smeet. 15 Millionen Menschen haben sich schon angemeldet. Bald sollen auch Brasilianer, Inder und Russen mitspielen.

Berlin - Eigentlich hat Sebastian Funke dunkelblonde Locken, grüne Augen und kleidet sich eher konventionell: Jeans, rosa Hemd, grauer Pullover. Aber wenn er sich bei Smeet einloggt, ist er Rapper, trägt Schlabberklamotten, eine riesige Sonnenbrille und Afromähne. „Das ist aber nicht typisch“, erklärt der 31-Jährige. „Die meisten Leute versuchen eher, sich wie im richtigen Leben darzustellen.“ Mittlerweile sind es mehr als 15 Millionen Menschen, die sich mit ihren digitalen Stellvertretern, den Avataren, bei Smeet tummeln. In Deutschland sind es 2,5 Millionen. Gerade hat Smeet seine Welt auch für Argentinier, Chilenen und Mexikaner geöffnet.

Smeet ist ein soziales Netzwerk, aufgebaut auf einer virtuellen Welt, in der man sich ein digitales Zuhause schaffen, spielen, sich unterhalten, gemeinsam Musik hören und Filme sehen – und eine ganze Menge Geld ausgeben kann. Ähnlich wie das vor Jahren so erfolgreiche Second Life, aber doch anders: „Es geht darum, spielend Leute zu treffen“, sagt Smeet-Geschäftsführer Funke. „Zu Facebook gehen die Menschen, um mit ihren Freunden zu kommunizieren. Zu uns kommen sie, um neue Leute kennenzulernen.“

Gemeinsam mit sechs Partnern gründete er das Unternehmen im Jahr 2006. Die erste Finanzierung kam von Hasso Plattner Ventures, der Risikokapitalgesellschaft des SAP-Gründers Plattner. Später kam der Investor Partech aus Paris dazu. „Über die Jahre haben wir 8,6 Millionen Euro zur Finanzierung erhalten“, berichtet Funke. Zum Umsatz sagt er nichts, zur Gewinnsituation nur so viel: Seit etwa sechs Monaten schreibe das Unternehmen schwarze Zahlen.

Mit der Programmierung der virtuellen Welt begann das Team 2006 bei null. „Ende 2008 haben wir noch einmal alles neu gemacht“, sagt Funke – und auch das Geschäftsmodell verändert. Der ursprüngliche Plan, in der virtuellen Welt am Verkauf von Telefonminuten zu verdienen, hat nicht funktioniert, sagt Funke. „Denn die Leute telefonieren aus zwei Gründen: Entweder sie sprechen mit Freunden und Familie, oder sie haben einen konkreten Anlass. Aber mit Fremden telefoniert man nicht einfach so.“

Heute sind die Einnahmequellen weit vielseitiger. „Es ist fast wie im richtigen Leben“, schmunzelt Funke. „Die Frauen geben Geld aus, um ihr Haus einzurichten oder ihren Avatar auszustatten. Die Männer spielen und geben Geld aus, um ihre Ziele zu erreichen. Und sie laden gern Frauen ein und kaufen Geschenke.“ Wohlgemerkt handelt es sich dabei um virtuelle Möbel, Jeans oder Blumen, für die die Nutzer aber echtes Geld ausgeben. So reicht zum Beispiel die Preisspanne für eine Jeans von zehn Cent bis drei Euro. Im Spiel wird mit Coins bezahlt, die man an unzähligen Geldautomaten, die in den virtuellen Räumen verteilt sind, mit echten Euro besorgen kann. Dafür steht eine große Auswahl an Bezahlmethoden zur Verfügung.

Etwa 40 Minuten pro Einwahl verbringt ein Mitglied durchschnittlich bei Smeet. Täglich registrieren sich 30 000 bis 40 000 neue Nutzer, berichtet Funke. Zielgruppe sind die 14- bis 49-Jährigen. Damit die sich nicht langweilen und länger bleiben, kommen dreimal in der Woche neue Inhalte hinzu – neue Kollektionen, Welten, Spiele. Es gibt Läden, Kinos, Klubs. Auch Firmen können Räume buchen: Ein spanischer Fernsehsender etwa lädt Fans ein, die spanische Version von „Bauer sucht Frau“ oder „Dschungelcamp“ gemeinsam anzusehen.

„Wir glauben stark an die soziale Komponente, die Interaktion zwischen den Nutzern“, sagt Funke. Smeet ist daher eng mit Facebook verknüpft, läuft aber auf einer eigenen Plattform. „Facebook ist eine Tür in unsere Welt.“ Der Vorteil: Im Gegensatz zu Spielen, die direkt bei Facebook gespielt werden, muss Smeet keine Umsatzanteile an Facebook abgeben. Spieler, die nur die Grundfunktionen von Smeet nutzen, brauchen kein Geld ausgeben. Funke geht aber davon aus, dass immer mehr Menschen bereit sind, für Inhalte im Internet zu bezahlen. Früher habe man ja auch 30 oder sogar 100 Euro für ein Computerspiel ausgegeben, sagt er.

Gut 100 Leute arbeiten derzeit für Smeet in Berlin, im New Yorker Büro, das auch Südamerika betreut, sind es noch einmal eine gute Handvoll. Zu den zwei Büroetagen mit 600 Quadratmetern Fläche im ehemaligen Kreuzberger Umspannwerk sollen bald noch einmal 600 Quadratmeter hinzukommen. „Ende des Jahres“, plant Funke, „wollen wir 150 bis 160 Mitarbeiter haben“. Dabei werde es wegen der großen Konkurrenz immer schwieriger, gute Leute zu gewinnen. „Das ist inzwischen ganz schön anstrengend geworden“, meint er. Derzeit kommen die Mitarbeiter aus 20 verschiedenen Ländern.

Smeet muss sich darauf gefasst machen, künftig wieder mehr Konkurrenz von einem seiner Vorgänger zu bekommen: Linden Lab, Betreiber der virtuellen Welt Second Life, hat gerade das Computerspielstudio Little TextPeople übernommen und angekündigt, neue Erlebniswelten im Netz aufbauen zu wollen. Second Life hatte seinen Höhepunkt in den Jahren 2006 und 2007. Damals gestalteten Millionen Menschen Avatare, um mit ihnen eine parallele Welt im Netz aufzubauen. Für viele Unternehmen galt es als unerlässlich, in Second Life mit einem Shop präsent zu sein. Doch nach dem anfänglichen Hype verließen viele Nutzer die technisch noch nicht ausgereifte 3-D-Welt wieder. Eine treue Fangemeinde ist dennoch geblieben. Gut eine Million Nutzer loggten sich im vergangenen Jahr regelmäßig ein, sie verbrachten pro Monat 100 Millionen Stunden auf der Plattform. Das Team von Smeet arbeitet jedenfalls intensiv daran, die Menschen in ihrer Welt zu halten. Als Nächstes wollen die Berliner nach Brasilien, Russland und Indien expandieren.

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